Ein Vollkaskoversicherer behauptete, dass ein Mann mit seinem Auto wegen des Genusses von Alkohol von der Fahrbahn abgekommen war. Hierfür trägt der Versicherer die alleinige Darlegungs- und Beweislast. Das hat das Oberlandesgericht Brandenburg mit Beschluss vom 8. Januar 2020 entschieden (11 U 197/18).
Der Kläger war mit seinem Pkw Mitte Dezember 2016 morgens gegen 10 Uhr auf einer Landstraße unterwegs, als nach seinen Angaben eine Rotte Wildschweine die Fahrbahn überquerte. Bei seinem Ausweichmanöver stieß sein Auto gegen einen Baum. Dabei erlitt es einen wirtschaftlichen Totalschaden.
Relative Fahruntüchtigkeit
Wegen der Folgen des Unfalls machte der Mann Ansprüche gegenüber seinem Vollkaskoversicherer geltend. Der wollte sich jedoch unter Abzug einer vereinbarten Selbstbeteiligung nur zur Hälfte an dem Schaden des Versicherten beteiligen.
Er warf ihm vor, den Unfall grob fahrlässig verursacht zu haben. Denn nach einer 75 Minuten später durchgeführten Blutprobe habe seine Blutalkohol-Konzentration 0,49 Promille betragen. Sie habe damit über dem unteren Schwellenwert für eine relative Fahruntüchtigkeit gelegen. Der betrage 0,3 Promille.
Das wurde vom Brandenburger Oberlandesgericht auch nicht in Frage gestellt. Es gab der Klage des Fahrers auf den vollständigen Ersatz des ihm entstandenen Schadens unter Abzug der Selbstbeteiligung gleichwohl statt.
Versicherer trägt Darlegungs- und Beweislast
Nach den Vertragsbedingungen sei der Versicherungsschutz zwar eingeschränkt, wenn ein Versicherungsfall infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel grob fahrlässig herbeigeführt wurde. Dies treffe auch trotz einer Klausel zur Mitversicherung von Schäden durch grobe Fahrlässigkeit zu.
Die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechts zur Leistungskürzung trage jedoch der Versicherer. Er könne sich dabei hinsichtlich des Verschuldensgrades zwar auf Indizien, nicht aber auf einen Beweis des ersten Anscheins stützen, so die Richter.
Keine Auffälligkeiten
„Um eine relative Fahruntüchtigkeit des Wagenlenkers zu bejahen, deren Unfallkausalität tatsächlich vermutet wird, genügt nicht allein die Feststellung einer Blutalkohol-Konzentration im Bereich zwischen 0,2 und 1,1 Promille, sondern es müssen sich – anders als bei absoluter Fahruntüchtigkeit, die nach neuerer Rechtsprechung bei 1,1 Promille beginnt – weitere Gegebenheiten, speziell alkoholtypische Ausfallerscheinungen oder Fahrfehler, konstatieren lassen, die den Schluss rechtfertigen, der Fahrer sei nicht mehr in der Lage gewesen, sein Automobil sicher im Verkehr zu steuern“, heißt es dazu in der Begründung des Beschlusses.
In dem entschiedenen Fall hätten sich bei der Blutentnahme jedoch keine alkoholbedingten Auffälligkeiten des Versicherten gezeigt. Nach dem ärztlichen Untersuchungsbericht habe er sämtliche diesbezüglichen Tests bestanden und auch äußerlich nicht merkbar unter Alkoholeinfluss gestanden.
Es obliege daher nicht dem Kläger, die von ihm behauptete alkoholunabhängige Unfallursache zu beweisen. Im Übrigen sei dessen Behauptung, dass unvermittelt eine Wildschweinrotte die Fahrbahn überquert hatte, auch von einem Zeugen des Unfalls bestätigt worden.
Die Richter ließen eine Revision gegen ihre Entscheidung nicht zu.
(Quelle VersicherungsJournal 18.02.2020)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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