Beträgt die Chance auf eine Schwangerschaft mindestens 15 Prozent, so muss die private Krankenversicherung des zeugungsunfähigen Mannes eine künstliche Befruchtung erstatten. Die erhöhte Gefahr eine Fehlgeburt wegen des erhöhten Alters der Ehefrau ist nicht maßgeblich. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Ein zeugungsunfähiger Mann wollte sich seinen Kinderwunsch mit Hilfe einer künstlichen Befruchtung durch In-vitro-Fertilisation (IVF) erfüllen. Die Kosten dieser Behandlung betrugen 17.508 Euro. Diesen Betrag verlangte der Patient von seinem privaten Krankenversicherer erstattet zu bekommen.
Doch der lehnte ab, weil die Voraussetzungen einer „medizinisch notwendigen Heilbehandlung" im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 der Versicherungs-Bedingungen MB/KK (PDF) nicht vorgelegen hätten. Dafür angeführt wurden das Alter der 1966 geborenen Ehefrau und eine für ihre Altersgruppe dokumentierte erhöhte Fehlgeburtrate.
Der Versicherte gewinnt beim BGH
Daraufhin verklagte der Versicherte die Gesellschaft. Den Fall hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 4. Dezember 2019 (IV ZR 323/18) (PDF, 174 KB) entschieden.
Der Versicherer wurde verurteilt, die Behandlungskosten in voller Höhe zu übernehmen, nur den vertraglich vereinbarten Selbstbehalt darf er abziehen.
Die Bundesrichter bestätigen in ihrer Urteilsbegründung die Vorinstanz: „Es habe sich bei allen vier Behandlungszyklen um medizinisch notwendige Heilbehandlungen im Sinne von § 1 Abs. 2 MB/KK gehandelt.
Hierfür sei entscheidend, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jeweils eine Wahrscheinlichkeit von mindestens 15 Prozent dafür bestanden habe, dass ein Embryotransfer zur erwünschten Schwangerschaft führe.
Die Wahrscheinlichkeit einer Geburt ist nicht maßgeblich
Nach Einschätzung des gerichtlich bestellten Sachverständigen habe die Ehefrau des Klägers alle Eigenschaften aufgewiesen, die es wahrscheinlich machten, dass sie dem kleinen Teil ihrer Altersgruppe angehöre, der erfolgreich mit einer IVF/ICSI zu behandeln gewesen sei.
Die maßgeblichen klinischen Befunde und Laborwerte wiesen sie als ‚reproduktiv gesunde Frau‘ aus. Nicht maßgeblich sei hingegen die Wahrscheinlichkeit einer Geburt (die sogenannte „baby-take-home-Rate“). Deshalb komme es auf die in der Altersgruppe der Ehefrau des Klägers hoch liegende Abortrate nicht entscheidend an.“
Der BGH hält daher die medizinische Notwendigkeit der Behandlung im Sinne der Versicherungs-Bedingungen für gegeben.
Als ausdrücklich zulässig sehen es die Richter an, „aufgrund besonderer individueller Faktoren […] die Erfolgsaussichten der Behandlungen jeweils höher einzuschätzen als vom IVF-Register für die Altersgruppe der Ehefrau des Klägers generell ausgewiesen“ werde.
(Quelle VersicherungsJournal 06.01.2020)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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