Ein links in eine Grundstückseinfahrt abbiegendes Kraftfahrzeug war mit einem in gleicher Richtung fahrenden, den Linksabbieger überholenden Auto zusammengestoßen. Hierbei spricht in der Regel der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Linksabbiegers. Das hat das Landgericht Braunschweig mit Urteil vom 5. April 2018 entschieden (1 O 3734/16 (305)).
Geklagt hatte ein Vollkaskoversicherer, der nach einem Verkehrsunfall für die Reparatur eines Fahrzeugs eines Versicherten knapp 15.000 Euro gezahlt hatte.
Fehlender Beweis
Vorausgegangen war eine Kollision des versicherten Pkws mit einem in Großbritannien zugelassenen Bentley. Dessen Fahrer wollte nach links in die Grundstückseinfahrt eines Hotels abbiegen, als er von dem besagten Fahrzeug überholt wurde.
Die Lenker beider Autos waren zunächst eine Zeit lang hinter einem langsam fahrenden Traktor hergefahren, als sich der klägerische Mann zu einem Überholmanöver entschloss. Dazu hatte er nach eigener, von seiner Beifahrerin bestätigter Aussage den Blinker seines Fahrzeugs gesetzt. Gleiches nahm auch der Lenker des Bentleys für sich in Anspruch. Er behauptete ebenfalls, ordnungsgemäß geblinkt zu haben, als er beabsichtigte, in die Einfahrt des Hotels abzubiegen.
Das konnte er jedoch ebenso wenig beweisen wie seine Behauptung, sich durch einen Schulterblick und einen Blick in die Fahrzeugspiegel darüber Gewissheit verschafft zu haben, dass er keinen anderen Verkehrsteilnehmer gefährde. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hatte er seine Abbiegeabsicht auch nicht dadurch angezeigt, indem er sich zur Fahrbahnmitte hin eingeordnet hatte.
All das reichte dem Braunschweiger Landgericht aus, der Klage des Versicherers in vollem Umfang stattzugeben.
Beweis des ersten Anscheins
Nach Ansicht des Gerichts spricht bei einem Zusammenstoß zwischen einem links in eine Grundstückseinfahrt abbiegenden Kraftfahrzeug und einem in gleicher Richtung fahrenden, den Linksabbieger überholenden Auto in der Regel der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Linksabbiegers.
Dieser könne einen Unfall nämlich in der Regel dadurch vermeiden, indem er seinen Pflichten gemäß § 9 Absatz 1 und 5 StVO genüge. Dazu gehöre es nicht nur, die Abbiegeabsicht rechtzeitig anzuzeigen und sich nach links einzuordnen, sondern auch, sich durch eine Rückschau davon zu überzeugen, dass die zu überquerende Fahrspur frei ist.
Besonders hohe Maßstäbe
Komme es trotz allem zu einer Kollision, so spreche die Lebenserfahrung dafür, dass der Abbiegende den strengen Vorschriften der StVO nicht genügt habe. Denn an die Sorgfaltspflichten eines auf ein Grundstück abbiegenden Verkehrsteilnehmers sind nach Auffassung des Gerichts besonders hohe Maßstäbe anzulegen, „da der nachfolgende Verkehr nicht mit gleicher Wahrscheinlichkeit wie bei einer abzweigenden Straße mit einem Abbiegen des Vordermannes rechnen muss.“
Dem Lenker des überholenden Autos kann nach Meinung der Richter auch kein Mitverschulden angelastet werden. Denn er habe nach den übereinstimmenden Bekundungen von Zeugen seine Überholabsicht frühzeitig durch Setzen des linken Blinkers angezeigt und sich auf der linken Fahrspur befunden, als es zu dem Unfall kam.
Im Übrigen sei ein Sachverständiger zu dem Ergebnis gekommen, dass der Fahrer des Bentleys den Überholvorgang bei genügender Aufmerksamkeit hätte wahrnehmen müssen. Unter Würdigung der Gesamtumstände gingen die Richter daher von einem alleinigen Verschulden des Abbiegenden aus.
(Quelle VersicherungsJournal 14.06.2019)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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