Ein gerichtlich bestellter Betreuer kann gegenüber dem Betreuten zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet sein, wenn er für diesen eine bestehende private Kranken- und Pflegeversicherung kündigt und kurze Zeit später ein absehbarer Versicherungsfall eintritt. Das hat das Oberlandesgericht Koblenz mit Beschluss vom 28. Februar 2018 entschieden (4 W 79/18).
Der Entscheidung lag der Fall einer Frau zugrunde, die Prozesskostenhilfe beantragt hatte. Sie wollte einen Schadenersatzprozess gegen ihre amtlich bestellte Betreuerin anstrengen.
Diese hatte eine private Kranken- und Pflegezusatz-Versicherung der Antragstellerin gekündigt, obwohl eindeutig absehbar war, dass in Kürze ein Versicherungsfall eintreten wird. Hätte der Vertrag fortbestanden, hätte die Versicherte Leistungen von mehr als 18.000 Euro erhalten können. Diese waren nun verloren. Der Vertrag wäre außerdem beitragsfrei gestellt worden.
Folgenreiche Kündigung
Die Betreuerin hielt die Forderung auf Zahlung von Schadenersatz für unbegründet. Sie habe den Versicherungsvertrag zu Recht gekündigt. Denn die Betreute sei finanziell nicht mehr dazu in der Lage gewesen, die Beiträge zu zahlen. Sie sei außerdem über die gesetzliche Krankenversicherung hinreichend abgesichert gewesen.
Dieser Argumentation wollte sich das Koblenzer Oberlandesgericht nicht anschließen. Anders als das in erster Instanz mit dem Fall befasste Landgericht der Stadt, ging das Gericht von ausreichenden Erfolgsaussichten für den Schadenersatzprozess aus.
Pflichtwidriges Verhalten
Die Richter stellten zwar nicht in Abrede, dass die belangte Frau wegen der finanziellen Schwierigkeiten der Betreuten Handlungsbedarf hatte. Diese habe ihren laufenden monatlichen Zahlungsverpflichtungen offenbar nicht mehr nachkommen können.
Es sei jedoch absehbar gewesen, dass der Krankheitsverlauf ihres Schützlings, der zur Einrichtung der Betreuung geführt hatte, zeitnah einen Versicherungsfall auslösen würde. Es sei daher pflichtwidrig gewesen, dass die Betreuerin die private Kranken- und Pflegeversicherung gekündigt hat.
Fehlende Risikoabwägung
Für die betreute Person habe zugegebenermaßen ein hinreichender Kranken- und Pflegeversicherungsschutz durch eine gesetzliche Versicherung bestanden. Dies rechtfertigt nach Meinung des Gerichts aber nicht, dass die Betreuerin ohne jegliche weitere Prüfung die privaten Zusatzversicherungen der Antragstellerin kündigen durfte, um die monatlichen Zusatzkosten zu vermeiden.
Die belangte Frau hätte vielmehr eine Risikoabwägung vornehmen müssen. Zu überlegen wäre gewesen, ob der Verlust von Versicherungsleistungen möglicherweise größere finanzielle Nachteile mit sich bringt, die durch den Wegfall der monatlichen Beitragszahlungen nicht kompensiert werden können.
Erwartbares Ereignis
Mit einem baldigen Eintritt des Versicherungsfalls sei zu rechnen gewesen. Dies belege die Tatsache, dass die Betreuerin nur einen Tag nach der Kündigung der privaten Zusatzversicherungen gegenüber dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen mit Nachdruck dargelegt hatte, welche erheblichen Defizite bei der Betreuten bereits vorlagen.
„Sie hätte dann aber prüfen müssen, ob die vorgebrachten Defizite bereits zur Folge gehabt hätten, dass bei der privaten Kranken- und Pflegezusatz-Versicherung die dort vereinbarte Leistungsfreiheit eingetreten wäre, so dass es einer Kündigung dieser Versicherungen gar nicht mehr bedurft hätte“, heißt es dazu abschließend in der Begründung des Beschlusses.
(Quelle VersicherungsJournal 22.05.2019)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
juergenzwilling@auc-zwilling.de ursulazwilling@auc-zwilling.de