06.05.2019
Selbstbeteiligung bei gerissenem Brustimplantat

Liegt die Ursache einer Erkrankung in der willkürlichen Veränderung des eigenen Körpers, so sind gesetzlich Krankenversicherte dazu verpflichtet, sich an den Behandlungskosten zu beteiligen. Mit diesem am Montag veröffentlichten Urteil vom 28. Januar 2019 hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen eine gleichlautende Entscheidung des Sozialgerichts Hannover bestätigt (L 16 KR 324/18).
Geklagt hatte eine 46-jährige Frau, die eine schönheitschirurgische Brustvergrößerung hatte durchführen lassen. Die Kosten hierfür hatte sie selbst bezahlt.
Sechs Jahre nach dem Eingriff kam es zu Rissbildungen an den Silikonimplantaten sowie einer dadurch ausgelösten Entzündung des Busens. Die Klägerin ließ daher die mangelhaften Implantate durch neue ersetzen. Deren Kosten bezahlte sie ebenfalls privat.
Streit um 1.300 Euro
Die Kosten für die Entnahme der alten Implantate in Höhe von 6.400 Euro wurden zunächst von dem gesetzlichen Krankenversicherer der Klägerin übernommen. Der forderte jedoch einen Betrag in Höhe der steuerlichen Belastungsfreigrenze, in diesem Fall 1.300 Euro, von ihr erstattet. Das begründete der Versicherer damit, dass gesetzlich zwingend eine Kostenbeteiligung der Versicherten bei Folgeerkrankungen nach ästhetischen Operationen vorgesehen sei.
Weil man sich nicht einigen konnte, landete der Fall vor Gericht. Dort trug die Klägerin vor, dass eine Kostenbeteiligung verfassungswidrig sei. Denn die Entwicklung der Schönheitschirurgie habe dazu geführt, dass Brustimplantate völlig normal und üblich seien. Es gehöre zum gesellschaftlichen Standard, dass sich Frauen hübsch, sexy und begehrenswert präsentierten. Abweichungen würden als Makel und als psychische Beeinträchtigung empfunden.
Im Übrigen sei die Zahl von Krankheitsfällen nach schönheitschirurgischen Eingriffen im Vergleich mit Sport- und Freizeitunfällen deutlich geringer. In diesen Fällen müssten sich die Betroffenen jedoch nicht an den Behandlungskosten beteiligen. Es komme daher einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung gleich, wenn sich Patienten wegen Folgeerkrankungen nach ästhetischen Operationen an den Behandlungskosten beteiligen müssten.
Keine Regel ohne Ausnahme
Dieser Argumentation wollten sich weder die Richter des in erster Instanz mit dem Fall befassten Sozialgerichts Hannover noch die des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen anschließen. Beide Gerichte hielten die Klage für unbegründet.
Die Richter stellten zwar nicht in Abrede, dass gesetzliche Krankenversicherer im Sinne des Solidarprinzips grundsätzlich dazu verpflichtet sind, notwendige Behandlungskosten ohne Rücksicht auf die Krankheitsursachen zu übernehmen.
Ausnahmen habe der Gesetzgeber jedoch bei rein ästhetischen Operationen, bei Tätowierungen und bei Piercings vorgesehen. Denn es sei verfassungsrechtlich zulässig, die Solidargemeinschaft vor dem unsolidarischen Verhalten Einzelner zu schützen.
Kostenbeteiligung angemessen
Darauf, dass die Inanspruchnahme schönheitschirurgischer Maßnahmen inzwischen normal sei, komme es nicht an. Entscheidend sei einzig, dass derartige Behandlungen in der Regel nicht medizinisch erforderlich seien.
Unter Berücksichtigung des Verursachungsanteils der Klägerin sowie ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hielten die Richter daher die von ihrem Krankenversicherer geforderte Kostenbeteiligung in Höhe der steuerlichen Belastungsfreigrenze für angemessen.
(Quelle VersicherungsJournal 19.02.2019)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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