Eignet sich ein bei einem Verkehrsverstoß angefertigtes Foto nur eingeschränkt, einen Beschuldigten zu identifizieren, muss der Tatrichter bei einer Verurteilung begründen, warum er dennoch überzeugt ist, dass der Beschuldigte der Täter ist. Das geht aus einem Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 3. November 2017 hervor (3 Rb 6 Ss 681/17).
Dem Beschuldigten war vorgeworfen worden, den erforderlichen Sicherheitsabstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug fahrlässig nicht eingehalten zu haben. Vom Amtsgericht wurde er daher zu einer Geldbuße sowie einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt.
Unscharfes Foto
In seiner hiergegen beim Karlsruher Oberlandesgericht eingelegten Rechtsbeschwerde bestritt der Autofahrer, zum Zeitpunkt der Tat Fahrer seines Fahrzeugs gewesen zu sein. Im Übrigen würde das bei dem Verstoß angefertigte Radarfoto nicht zu einer Verurteilung taugen. Denn das sei nicht nur unscharf. Es zeige außerdem einen erheblichen Teil des Gesichts des Fahrers nicht, weil dieses durch eine Sonnenblende verdeckt gewesen sei.
Die Karlsruher Richter hielten die Argumentation des Beschuldigten für überzeugend. Sie wiesen den Fall zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurück.
Das sind die Kriterien
Gelangt ein Tatrichter anhand eines Radarfotos zu der Überzeugung, dass ein Beschuldigter mit der auf dem Foto abgebildeten Person identisch ist, so ist nach Ansicht der Richter in der Urteilsbegründung Folgendes zu berücksichtigen:
Ist das Foto so deutlich, dass es zur Identifizierung des Betroffenen uneingeschränkt geeignet ist, so genügt eine deutliche und zweifelsfreie Verweisung. Eine zusätzliche Beschreibung einzelner Identifizierungs-Merkmale ist dann entbehrlich.
Ein Foto kann jedoch auch, etwa aufgrund schlechter Bildqualität wie zum Beispiel erheblicher Unschärfe oder aufgrund seines Inhalts, zur Identifizierung des Betroffenen nur eingeschränkt geeignet sein. Dann hat der Tatrichter zu erörtern und zu begründen, warum ihm die Identifizierung gleichwohl möglich erscheint.
Die Anforderungen an die Begründung seien in so einem Fall umso höher, je schlechter die Qualität des Fotos sei.
Zurück an die Vorinstanz
In dem Fall des Beschuldigten habe sich das Foto, wie von diesem behauptet, in der Tat nur bedingt für eine Identifizierung des Fahrers geeignet. Der Amtsrichter wäre daher dazu verpflichtet gewesen, in seinem Urteil die auf dem Foto erkennbaren charakteristischen Merkmale, die für seine richterliche Überzeugungsbildung bestimmend waren, zu benennen und zu beschreiben, so das Oberlandesgericht.
Das habe der Richter versäumt. Der Fall wurde daher zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Vergleichbarer Fall
Das Kammergericht Berlin war im August 2017 in einem vergleichbaren Fall zu einer gleichartigen Einschätzung gelangt. Dabei hieß es, dass bei einer Identifizierung eines Beschuldigten anhand eines Fotos gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse sowie die Gesetze der Logik und der Erfahrungssätze des täglichen Lebens beachtet werden müssen.
So lasse etwa ein sehr unscharfes Foto oder ein Foto, auf dem das Gesicht nicht oder nur zu einem geringen Teil abgebildet ist, eine Identifizierung durch bloßen Vergleich mit dem Betroffenen nach der täglichen Lebenserfahrung regelmäßig nicht zu (VersicherungsJournal 19.10.2017).
Dass eine Sonnenbrille einen Verkehrssünder nicht vor einer Bestrafung schützen kann, belegt ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm aus dem Jahr 2016. Das hielt angesichts des scharfen Radarfotos die übrigen Identifizierungs-Merkmale für so ausreichend, dass sie eine einwandfreie Identifizierung des Beschuldigten ermöglichten (VersicherungsJournal 18.8.2017).
(Quelle VersicherungsJournal 18.05.2018)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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