Bietet ein kostenaufwändiges Hilfsmittel einem behinderten Versicherten im Vergleich zu einer preisgünstigeren Alternative einen wesentlichen Gebrauchsvorteil, so ist seine Krankenkasse dazu verpflichtet, ihm die Anschaffung des teureren Hilfsmittels zu finanzieren. Das hat das Hessische Landessozialgericht mit einem gestern veröffentlichten Urteil vom 9. November 2017 entschieden (L 1 KR 211/15).
In dem vom Hessischen Landessozialgericht entschiedenen Fall ging es um die Klage eines 82-Jährigen, der im Jahr 2012 nach einem Sportunfall seinen linken Unterschenkel einbüßen musste. Zum Ausgleich seiner Behinderung bewilligte ihm seine Krankenkasse in der Folgezeit eine sogenannte „C-Leg-Prothese“, die 28.000 Euro kostete.
Deutliche Gebrauchsvorteile
Der Kläger selbst hielt diese Prothese jedoch für nicht ausreichend. Er verlangte daher die Versorgung mit einem um knapp 18.000 Euro teureren Kunstglied. Denn mit diesem könne er eine deutliche Verbesserung seiner Geh- und Stehfähigkeit erreichen.
Seine Krankenkasse hielt die Versorgung mit der günstigeren Prothese unter Hinweis auf das Wirtschaftlichkeits-Gebot § 12 SGB V jedoch für ausreichend. Danach dürfen die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung „das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.“
Die Kasse lehnte den Antrag des Versicherten daher ab. Zu Unrecht, urteilten die hessischen Richter. Sie gaben der Klage des Mannes statt.
Einzige Möglichkeit
Nach Aussage eines vom Gericht befragten Sachverständigen bietet die von dem Kläger begehrte Prothese im Vergleich mit der einfacheren Ausführung wesentliche Vorteile. Das gelte insbesondere beim Übersteigen von Hindernissen, beim Stehen auf schrägem Untergrund sowie beim Treppensteigen und beim Rückwärtsgehen.
Der Kläger könne diese Gebrauchsvorteile trotz seines Alters auch nutzen. Denn sein körperlicher und geistiger Zustand sei mit dem eines 60-Jährigen vergleichbar. Er erreiche mit dem teureren Hilfsmittel den höchsten Mobilitätsgrad vier, während er mit der einfachen Prothese einen Grad zwischen zwei und drei erreiche.
Die Richter zeigten sich daher davon überzeugt, dass die teurere Prothese die einzige Möglichkeit für den Kläger darstelle, seine aufgrund der Amputation seines linken Unterschenkels bestehende Behinderung nahezu vollständig auszugleichen. Seine gesetzliche Krankenkasse wurde dementsprechend dazu verurteilt, die Kosten für die Prothese zu übernehmen. Das Gericht sah keine Veranlassung, eine Revision gegen seine Entscheidung zuzulassen.
Das Sozialgericht Heilbronn war im Jahr 2013 in einem ähnlichen Fall zu einer vergleichbaren Einschätzung wie das Hessische Landessozialgericht gelangt (VersicherungsJournal 1.11.2013). Zuvor hatte auch das Sozialgericht Detmold in zwei ähnlichen Fällen zugunsten der Kläger entschieden (VersicherungsJournal 16.2.2011).
(Quelle VersicherungsJournal 29.11.2017)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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