05.03.2018
Querschnittslähmung nach Reitunfall

Hat eine Pferdehalterin mit einer Reiterin eine sogenannte Reitbeteiligung vereinbart, ändert dies nichts an der Haltereigenschaft. Die Halterin des Tieres ist daher in der Pflicht, wenn die Reiterin durch ein Fehlverhalten des Tieres zu Schaden kommt. Das geht aus einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 29. März 2017 hervor (4 U 1162/13).
Der Entscheidung lag der Fall einer Frau zugrunde, die mit einer Pferdehalterin eine Reitbeteiligung vereinbart hatte. Danach durfte sie deren Pferd an drei Tagen pro Woche gegen Zahlung eines monatlichen Betrages in Höhe von 100 Euro nach Belieben ausreiten.
Folgenreicher Unfall
Bei einem der Ausritte kam es zu einem folgenreichen Unfall. Wegen eines von der Reiterin behaupteten, unerwarteten Fehlverhaltens des Pferdes stürzte sie von dem Tier und erlitt eine Querschnittslähmung.
Die gesetzliche Krankenkasse der Frau beantragte daher vor Gericht die Feststellung, dass die Pferdehalterin ihr den gesamten Schaden zu ersetzen habe, welcher ihr im Rahmen der unfallbedingt notwendigen ärztlichen Behandlungen entstanden war beziehungsweise noch entstehen wird.
Die Körperschaft nahm die Halterin des Tieres direkt in Anspruch. Denn das Risiko einer Reitbeteiligung war im Rahmen der von ihr abgeschlossenen Tierhalter-Haftpflichtversicherung nicht mitversichert.
Eine Frage der Haltereigenschaft
Mit seiner Klage hatte die Kasse zunächst keinen Erfolg. Das Nürnberger Landgericht hielt sie für unbegründet. Es müsse nämlich davon ausgegangen werden, dass die Geschädigte und die Pferdehalterin bei Abschluss des Vertrages über die Reitbeteiligung einen stillschweigenden Haftungsausschluss vereinbart hatten.
Dieser Argumentation wollte sich das in Berufung mit dem Fall befasste Nürnberger Oberlandesgericht nicht anschließen. Es gab der Feststellungsklage zumindest teilweise statt.
Nach Ansicht der Richter änderte die Reitbeteiligung nichts daran, dass die Beklagte zum Unfallzeitpunkt alleinige Halterin des Pferdes war. Sie hatte das Bestimmungsrecht über das Tier und trug sämtliche Aufwendungen, wie etwa für Futter, tierärztliche Behandlungen oder die Versicherung. Die Geschädigte habe hingegen nur ein geringes Entgelt für die gelegentliche Nutzung des Pferdes bezahlen müssen.
Für die Beurteilung der Haftungsfrage komme es folglich alleine darauf an, ob sich bei dem Unfall eine spezifische Tiergefahr verwirklicht habe. Davon sei auszugehen. Denn nach der Darstellung der Geschädigten sei sie nur deswegen von dem Pferd gestürzt, weil dieses ohne erkennbaren Anlass plötzlich losgerannt sei.
Mitverschulden
Einen von der Vorinstanz unterstellten, stillschweigend vereinbarten Haftungsausschluss zwischen der Geschädigten und der Beklagten vermochten die Richter des Oberlandesgerichts nicht zu erkennen. Von einem solchen könne nämlich nur dann ausgegangen werden, wenn die Geschädigte an der Überlassung des Tieres ein besonderes Interesse gehabt hätte. Davon könne nicht ausgegangen werden.
Die Reitbeteiligung habe zum Zeitpunkt des Unfalls nämlich nur wenige Monate bestanden. Außerdem sei die Beklagte ihrem eigenen Bekunden nach davon ausgegangen, dass etwaige Schäden auch im Hinblick auf die Reitbeteiligung von ihrer Tierhalter-Haftpflichtversicherung gedeckt seien.
Nach Ansicht des Gerichts muss sich die Beklagte allerdings nur mit einer Quote von 50 Prozent an den Aufwendungen der Krankenkasse beteiligen. Denn die Geschädigte sei im Moment des Unfalls Tieraufseherin gewesen. In solch einem Fall bestehe eine gesetzliche Vermutung dafür, dass sie einen Sorgfaltsverstoß begangen habe und dieser für den Schaden ursächlich geworden sei.
Da die Hintergründe des Reitunfalls nicht mehr aufklärbar seien, sei es der Geschädigten nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Es müsse daher von einem Mitverschulden der Geschädigten ausgegangen werden, welches die Ansprüche der Krankenkasse entsprechend mindere.
(Quelle VersicherungsJournal 06.10.2017)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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