Eine Geschwindigkeit von mehr als 10 Stundenkilometer kann dem Wortsinn nach nicht mehr als Schrittgeschwindigkeit angesehen werden. Der Begriff ist auch nicht von den örtlichen Gegebenheiten oder dem Grad der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer abhängig. Das hat das Oberlandesgericht Naumburg mit Beschluss vom 21. März 2017 entschieden (2 Ws 45/17).
Ein Autofahrer war dabei erwischt worden, als er innerhalb eines verkehrsberuhigten Bereichs mit einer Geschwindigkeit von mindestens 42 km/h unterwegs war. Weil in verkehrsberuhigten Bereichen nur mit Schrittgeschwindigkeit gefahren werden darf, wurde er vom Amtsgericht unter Berücksichtigung eines Voreintrages zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 150 Euro verurteilt.
Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft
Die für derartige Fälle milde Strafe begründete das Gericht damit, dass es sich bei der verkehrsberuhigten Zone um eine verhältnismäße breite Straße gehandelt habe. Sie sei kerzengerade und gut einzusehen. Angesichts dieser Umstände sei eine Geschwindigkeit von 15 km/h als ungefährlich anzusehen und mit Sicherheit dazu geeignet, Unfälle zu vermeiden.
Die Staatsanwaltschaft hielt die Entscheidung für falsch. Ihre beim Naumburger Oberlandesgericht eingelegte Rechtsbeschwerde begründete sie damit, dass als Schrittgeschwindigkeit allenfalls ein Tempo von elf km/h angesehen werden könne. Der Autofahrer müsse daher mit einer Regelgeldbuße in Höhe von 160 Euro sowie einem einmonatigen Fahrverbot bestraft werden.
Dem schloss sich das Oberlandesgericht im Grundsatz an. Nach Ansicht der Richter kann jedoch eine Geschwindigkeit von mehr als zehn km/h schon nicht mehr als Schrittgeschwindigkeit angesehen werden. Denn wer sich schneller fortbewege, gehe beziehungsweise schreite nicht mehr, sondern laufe.
Keine freie Wahl
„Mit dem vom Amtsgericht zu Grunde gelegten Tempo von 15 km/h wäre etwa ein Teilnehmer des Berlin Marathon 2016 mit einer Zeit von circa zwei Stunden und 50 Minuten unter den besten vier Prozent der 35.999 Läufer, die das Ziel erreicht haben, gelandet. Eine solche Geschwindigkeit lässt sich nicht mehr als Schrittgeschwindigkeit definieren“, so das Oberlandesgericht in der Begründung seines Beschlusses.
Eine Überschreitung von zehn km/h lasse sich darüber hinaus auch mit einem Autotacho feststellen und daher problemlos einhalten.
Im Übrigen sei der Begriff „Schrittgeschwindigkeit“ auch nicht von den örtlichen Gegebenheiten beziehungsweise dem Grad der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer abhängig.
Denn wäre das vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen, so hätte er nach Überzeugung der Richter nicht den Begriff Schrittgeschwindigkeit gewählt, sondern etwa die „den Umständen entsprechend ungefährliche Geschwindigkeit“ angeordnet.
(Quelle VersicherungsJournal 07.11.2017)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
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