13.11.2017
Liebesheirat oder Versorgungsehe?

Die Eheschließung eines Paares hatte sich verzögert, weil es schwierig und zeitraubend war, die benötigten Papiere aus dem Ausland zu beschaffen. Als kurz nach der Hochzeit der Ehemann an einer schweren Erkrankung verstarb, verweigerte die Deutsche Rentenversicherung die Zahlung einer Witwenrente, da eine Versorgungsehe zu vermuten sei. In einem solchen Fall kann aber selbst dann nicht von einer Versorgungsehe ausgegangen werden, wenn einer der Partner zum Zeitpunkt der Hochzeit bekanntermaßen an einer lebensbedrohlichen Erkrankung litt, so das Sozialgericht Berlin in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 11. September 2017 (S 11 R 1839/16).
Geklagt hatte eine Witwe, deren Mann nur zwei Monate nach der Eheschließung im März 2011 an einer Krebserkrankung verstorben war. Die Deutsche Rentenversicherung lehnte es jedoch ab, der Frau die von ihr beantragte Rente zu zahlen.
Begründung: Den Eheleuten sei die Erkrankung bereits bei der Hochzeit bekannt gewesen – und sie hätten nur deswegen geheiratet, um der Klägerin eine Witwenrente zu verschaffen.
Keine Versorgungsehe?
In dem sich anschließenden Rechtsstreit trug die Witwe vor, dass man bereits etliche Monate vor der Eheschließung beschlossen habe, zu heiraten. Zu diesem Zeitpunkt habe man über die tödliche Erkrankung ihres Mannes noch nichts gewusst.
Die Hochzeit habe sich aber verzögert. Denn sie sei schon einmal verheiratet gewesen. Diese Eheschließung und auch die Scheidung hätten in der Ukraine stattgefunden. Es sei daher mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden gewesen, die für die neue Heirat erforderlichen Papiere zu besorgen.
Das sei auch bei ihrem verstorbenen Mann der Fall gewesen, der bereits ebenfalls schon einmal verheiratet gewesen sei. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe im Sinne von § 46 Absatz 2a SGB VI sei damit widerlegt.
Gesamtbetrachtung
Dieser Argumentation schloss sich das Berliner Sozialgericht an. Es gab der Klage der Witwe auf Zahlung der von ihr beantragten Rente statt.
Zur Prüfung, ob eine Versorgungsehe vorliegt, ist nach Ansicht der Richter eine Gesamtbetrachtung anzustellen. Immer dann, wenn für eine Heirat andere Beweggründe als eine Versorgungsabsicht überwiegen oder zumindest gleichwertig sind, sei die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht gerechtfertigt.
Im Fall einer schwerwiegenden Erkrankung eines der Ehepartner komme es auf das Krankheitsbild zum Zeitpunkt der Eheschließung an. Je offensichtlicher die Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit sei, desto größer seien die Zweifel daran, dass die Ehe nicht mit dem Ziel der Versorgungsabsicherung geschlossen worden sei.
Es komme hingegen nicht darauf an, wie lange eine Liebesbeziehung bereits bestanden habe. Im Gegenteil. Eine lange Partnerschaft ohne Trauschein spreche vielmehr dafür, dass eigentlich keine Eheschließung beabsichtigt war.
Monatelanges Warten
In dem entschiedenen Fall sei die lebensbedrohliche Krankheit des Ehemannes zum Zeitpunkt der Hochzeit zwar offenkundig weit fortgeschritten gewesen. Darüber seien sich auch die Eheleute im Klaren gewesen. Die Beweisaufnahme habe jedoch ergeben, dass konkrete und ernsthafte Heiratsabsichten schon mehrere Monate bestanden hätten, bevor beim verstorbenen Ehemann der Klägerin die tödliche Krankheit festgestellt wurde.
So hätten sich sowohl der Verstorbene als auch die Klägerin bereits im Laufe des Jahres 2010 um die Beschaffung der erforderlichen Papiere bemüht. Dies sei wegen der vorangegangenen, im Ausland geschlossenen Ehen jedoch besonders schwierig gewesen.
Die Klägerin habe monatelang auf Unterlagen aus der Ukraine warten müssen. Auch das Standesamt habe bestätigt, dass bei der Eheschließung mit einer ausländischen Staatsangehörigen zwischen einer ersten Auskunft über die erforderlichen Papiere bis zu deren Beschaffung im Allgemeinen mehrere Monate vergingen.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann nach Ansicht der Richter von keiner die Zahlung einer Witwenrente ausschließenden Versorgungsehe ausgegangen werden.
(Quelle VersicherungsJournal 05.10.2017)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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