06.11.2017
Haftungsfrage nach Unwetterschaden wegen Rückstau

Ein Eigentümer eines baumbestandenen Grundstücks haftet nur unter besonderen Voraussetzungen für Rückstauschäden, die durch den Einwuchs von Wurzeln in einen Abwasserkanal entstehen. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 24. August 2017 entschieden und damit ein Urteil der Vorinstanz aufgehoben (III ZR 574/16).
Geklagt hatte eine Frau, deren Hausgrundstück an die städtische Kanalisation angeschlossen ist. Das Grundstück grenzt an einen Wendeplatz, auf welchem eine Kastanie steht.
Überfluteter Keller
Nach einem Starkregenereignis konnte die Regenwasser-Kanalisation die Wassermassen nicht mehr ableiten. Denn wie sich herausstellte, waren Wurzeln der Kastanie in die Rohre eingewachsen und hatten so deren Leitfähigkeit stark eingeschränkt.
Das hatte zur Folge, dass der Keller des Hauses der Klägerin überflutet wurde. Den dadurch entstandenen Schaden von mehr als 30.000 Euro forderte sie zu zwei Dritteln von der Gemeinde erstattet. Denn diese habe ihre Verkehrssicherungs-Pflicht verletzt, indem sie nicht dafür Sorge getragen habe, dass sich die Kanalisation in einem ordnungsgemäßen Zustand befand.
Die Klägerin räumte ein, sich ein Mitverschulden von einem Drittel anrechnen lassen zu müssen. Entgegen der Vorschriften der städtischen Satzung habe sie ihr Haus nämlich nicht mit einer Rückstausicherung gesichert.
Zurück an die Vorinstanz
Nachdem die Klägerin mit ihrer in erster Instanz gegen die Gemeinde eingereichten Klage einen Teilerfolg erzielt hatte, wurde die Klage von der Berufungsinstanz zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht Braunschweig vermochte kein Verschulden der Gemeinde zu erkennen. Denn es habe vor dem Schadenereignis keine konkreten Anhaltspunkte dafür gegeben, dass Baumwurzeln in die Kanalisation eingedrungen waren.
Der Fall landete schließlich vor dem Bundesgerichtshof. Der hob das Urteil des Oberlandesgerichts auf und wies den Fall zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurück.
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs sind die Verkehrssicherungs-Pflichten des Eigentümers eines baumbestandenen Grundstücks wegen der Verwurzelung eines Abwassersystems zwar nicht von vornherein ausgeschlossen. Eine Haftung kommt jedoch nur unter besonderen Umständen in Betracht.
Von den Umständen des Einzelfalls abhängig
Es hänge von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, ob und in welchem Umfang beziehungsweise wie oft ein Grundstückseigentümer im Rahmen seiner Verkehrssicherungs-Pflicht für einen auf seinem Grundstück stehenden Baum Kontroll- und Überprüfungsmaßnahmen auch in Bezug auf die mögliche Verwurzelung eines Abwasserkanals durchführen müsse.
Zu berücksichtigen seien die räumliche Nähe des Baums und seiner Wurzeln zu dem Abwassersystem sowie seine Art beziehungsweise seine Gattung, sein Alter und die Art des Wurzelsystems.
Der Umfang und die Art der Kontrollpflichten hänge im Einzelfall von der Zumutbarkeit für den Grundstückseigentümer ab. Er müsse dabei in der Regel nicht den Kanal selbst überprüfen. Denn zu diesem habe er naturgemäß keinen Zugang.
Unmittelbarer Zugang
Das sei in dem zu entscheidenden Fall jedoch anders zu bewerten. Denn die beklagte Gemeinde sei nicht nur Eigentümerin der Kastanie, sondern zugleich auch Betreiberin des öffentlichen Abwassersystems. Sie habe damit einen unmittelbaren Zugang zum gesamten Gefahrenbereich gehabt, so der Bundesgerichtshof.
Ob die Gemeinde ihre Kontrollpflichten tatsächlich verletzt hat und der Klägerin zum Schadenersatz verpflichtet ist, muss nun die Vorinstanz klären.
(Quelle VersicherungsJournal 28.08.2017)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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