11.09.2017
Der Vollkaskoversicherer und die fehlerhafte Schadenanzeige

Beantwortet ein Versicherungsnehmer in einem Schadenformular gestellte Fragen zu Vorschäden falsch, obwohl er wissen muss, dass es ihm zur Beantwortung an ausreichenden Informationen fehlt, so kann das zur Leistungsfreiheit seines Versicherers führen. Das geht aus einem Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 21. Juni 2016 hervor (14 S 32/16).
Der Kläger hatte für seinen Personenkraftwagen bei dem beklagten Versicherer unter anderem eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen.
Nachdem er am Morgen des 13. November 2014 festgestellt hatte, dass sein geparktes Auto von einem Unbekannten erheblich zerkratzt worden war, meldete er den Schaden seinem Versicherer.
Sämtliche in der Schadenanzeige gestellten Fragen nach reparierten und nicht reparierten Vorschäden sowie Schäden, welche das Fahrzeug möglicherweise beim Vorbesitzer erlitten hatte, beantwortete er anschließend mit „nein“.
Falsche Antworten
Das sollte sich als falsch erweisen. Denn ein mit der Besichtigung des Fahrzeugs beauftragter Sachverständiger stellte unter anderem Lackschäden und Dellen fest, die schon vor dem Vandalismusschaden vorhanden gewesen sein mussten.
Weitere Ermittlungen des Versicherers ergaben, dass das Fahrzeug im Jahr 2012 auf der gesamten Seite einen Streifschaden erlitten hatte. Im gleichen Jahr war auch das Heck in Folge eines Verkehrsunfalls erheblich beschädigt worden.
Darauf von seinem Versicherer angesprochen behauptete der Kläger, dass sich die Vorschäden in einer Zeit ereignet hätten, als sich das Fahrzeug ausschließlich im Besitz seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau befand.
Von dieser habe er das Auto erst im Jahr 2013 übernommen, ohne dass ihn seine Frau über die Schadenfälle informiert habe. Das wurde von seiner Frau bestätigt.
Verletzung der Aufklärungspflicht
Der Versicherer lehnte es trotz allem ab, den Vandalismusschaden zu regulieren. Denn dadurch, dass der Kläger die Vorschäden in der Schadenanzeige verschwiegen habe, habe er arglistig und vorsätzlich seine Aufklärungs-Obliegenheiten verletzt.
Dem schlossen sich die Richter des Saarbrücker Landgerichts an. Sie wiesen die Klage des Versicherten gegen seinen Vollkaskoversicherer als unbegründet zurück.
Nach Ansicht des Gerichts ist es unstreitig, dass der Kläger die in der Schadenanzeige gestellten Fragen zu den Vorschäden falsch beantwortet hat. Er habe damit gegen seine vertragliche Verpflichtung verstoßen, alles zu tun, was zur Aufklärung des Sachverhalts dienlich sein kann.
Denn dazu gehöre es, den Versicherer wahrheitsgemäß und vollständig über solche Umstände zu informieren, die für die Ermittlung der Höhe des Schadens von Bedeutung sind. Dazu könnten auch frühere Schäden gehören. Denn die könnten den Marktwert eines Fahrzeugs auch dann beeinflussen, wenn sie, wie im entschiedenen Fall, repariert wurden.
Wissensvertreterin
Als Versicherungsnehmer müsse sich der Kläger im Übrigen das Wissen seiner Ehefrau zurechnen lassen. Denn diese sei als Wissensvertreterin im Sinne von § 166 BGB anzusehen.
Dazu genüge es, wenn ein Versicherungsnehmer einer anderen Person, insbesondere einem Familienangehörigen, einen versicherten Personenkraftwagen vollständig zur Benutzung zur Verfügung stelle und sich um das Fahrzeug in der Folgezeit nicht mehr kümmere.
Angesichts der Eindeutigkeit der in der Schadenanzeige gestellten Fragen hätte der Kläger sie nicht, wie geschehen, ins Blaue hinein beantworten dürfen. Er wäre vielmehr dazu verpflichtet gewesen, seine von ihm getrennt lebende Ehefrau wegen möglicher Vorschäden zu befragen.
Arglist
Der Kläger habe auch arglistig gehandelt. „Denn die Annahme arglistigen Verhaltens liegt nahe, wenn der Versicherer über den Wert der versicherten und zu entschädigenden Sache oder über diesen Wert bestimmende Faktoren in erheblichem Maße getäuscht wird. Davon ist auszugehen, wenn dem Versicherer auf klare und unmissverständliche Fragen hin erhebliche Vorschäden verschwiegen werden“, heißt es dazu in der Urteilsbegründung.
Letztlich habe es für den Kläger auf der Hand gelegen, dass, was die frühere Besitzzeit des Fahrzeugs anging, nur seine Frau, die sich völlig unabhängig in den letzten Jahren um das Auto gekümmert hatte, Angaben zu dem Personenkraftwagen machen konnte.
Die Richter sahen keine Veranlassung, eine Revision gegen ihre Entscheidung zuzulassen.
(Quelle VersicherungsJournal 07.06.2017)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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