03.07.2017
Der herabstürzende Ast und das demolierte Autodach

Gemeinden sind nicht dazu verpflichtet, Äste eines von seiner Art her zwar anfälligen, grundsätzlich aber gesunden Baums zu entfernen, um eine Gefährdung Dritter auszuschließen. Kommt es zu einem Schaden, weil von einem derartigen Baum ein Ast abbricht, so kann die Gemeinde nicht für die Folgen in Anspruch genommen werden, so das Oberlandesgericht Saarbrücken in einem kürzlich bekannt gewordenen Urteil vom 26. November 2015 (4 U 64/14).
Der Kläger hatte sich schon seit Längerem mit der Gemeindeverwaltung seines Wohnorts wegen zwei zu einer Allee gehörender Platanen gestritten, deren Äste auf sein Grundstück ragten. Ende Dezember 2012 eskalierte der Streit. Denn da brach ein circa drei Meter langer Ast von einem der Bäume ab und beschädigte den Personenkraftwagen des Klägers.
Schuldhafte Amtspflichtverletzung?
Der warf der Gemeinde eine schuldhafte Amtspflichtverletzung vor. Denn bei den zweimal jährlich durchgeführten Baumkontrollen hätte es auffallen müssen, dass der Ast morsch war. Der Kläger verlangte daher von der Gemeinde den Ersatz des ihm entstandenen Fahrzeugschadens.
In dem sich anschließenden Rechtsstreit verteidigte sich die Gemeinde damit, dass der streitgegenständliche Baum gut einen Monat vor dem Abbruch des Astes kontrolliert worden sei. Ihr fachkundiger Mitarbeiter habe dabei keinerlei Anzeichen dafür feststellen können, dass der Ast morsch war und in absehbarer Zeit abbrechen könnte.
Kein Handlungsbedarf
Ein vom Gericht befragter Sachverständiger kam zwar zu dem Ergebnis, dass der Ast abgestorben war. Ein Pilzbefall sei jedoch nicht zu erkennen gewesen. Derartige Äste einer Platane könnten sich noch jahrelang in der Krone halten, ohne dass damit gerechnet werden müsse, dass sie abbrechen.
Der Baum sei insgesamt als nur leicht geschädigt einzustufen, was bedeute, dass sich sein Zustand vor der nächsten Regelkontrolle nicht auf die Verkehrssicherheit auswirkt. Für den Baumkontrolleur habe daher kein Handlungsbedarf bestanden.
Das fanden die Richter überzeugend. Sie wiesen die Klage des Geschädigten als unbegründet zurück.
Allgemeines Lebensrisiko
Die Richter stellten zwar nicht in Abrede, dass sich die Verkehrssicherungs-Pflicht einer Gemeinde auch auf den Schutz vor Gefahren durch Bäume erstreckt. In deren Rahmen bestehe aber nur eine Verpflichtung, Bäume zu beseitigen beziehungsweise solche Teile von ihnen zu entfernen, die herabzustürzen drohen.
Mit anderen Worten: Ist ein Baum bei den regelmäßig durchzuführenden Baumkontrollen nachweislich nicht auffällig geworden, so verwirklicht sich das allgemeine Lebensrisiko, wenn von ihm trotz allem unerwartet ein Ast abbricht und es dadurch zu einem Schaden kommt.
Denn eine Gemeinde sei nicht dazu verpflichtet, nur deswegen besondere Schutzmaßnahmen zu ergreifen, weil aufgrund der Art eines Baumes ein erhöhtes Risiko besteht, dass auch im gesunden Zustand Äste abbrechen könnten. Der Kläger geht daher leer aus. Die Richter ließen keine Revision zum Bundesgerichtshof zu.
(Quelle VersicherungsJournal 20.12.2016)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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