Muss davon ausgegangen werden, dass sich ein Elfjähriger bewusst über Verkehrsregeln hinweggesetzt und dadurch einen Unfall verursacht hat, so ist er in vollem Umfang für dessen Folgen verantwortlich. Das hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit einem gestern veröffentlichten Urteil vom 16. September 2016 entschieden (9 U 238/15) und damit ein erstinstanzliches Urteil bestätigt.
Der seinerzeit elfjährige Beklagte befuhr im September 2009 mit seinem Fahrrad einen Gehweg – und zwar entgegen der Fahrtrichtung. Beim Überqueren einer Hauptstraße stieß er mit einer 57-jährigen Fahrradfahrerin zusammen, welcher er die Vorfahrt genommen hatte.
Massive Folgen
Die Frau erlitt bei dem Unfall schwere Verletzungen. Sie musste mehrfach operiert werden und leidet bis heute unter den Folgen einer Knieverletzung, die letztlich zu einer operativen Versteifung ihres rechten Kniegelenks führen wird.
Ihre Schadenersatz- und Schmerzensgeld-Forderungen beglich der Haftpflichtversicherer des Jungen nur zum Teil. Er ging nämlich angesichts seines Alters von einer nur teilweisen Verantwortlichkeit des Kindes für den Unfall aus.
Doch dem wollten sich weder die Richter des in erster Instanz mit dem Fall befassten Landgerichts Dortmund noch ihre Kollegen vom Hammer Oberlandesgericht anschließen. Sie gaben der Klage der Frau in vollem Umfang statt.
Alleinige Haftung
Nach Ansicht der Richter ist der beklagte Junge allein für den Unfall verantwortlich. Denn er habe nicht nur verkehrswidrig den Gehweg benutzt, und das zu allem Überfluss auch noch entgegen der Fahrtrichtung, sondern auch die Vorfahrt der Klägerin verletzt. Diese hochgefährliche Fahrweise habe schließlich zu dem Unfall geführt.
Anzeichen dafür, dass es dem Kind an der zur Erkenntnis seiner Verantwortlichkeit erforderlichen Einsichtsfähigkeit gefehlt habe, vermochten die Richter nicht zu erkennen. Der Junge habe gewusst, dass er in seinem Alter nicht mehr mit seinem Fahrrad auf einem Bürgersteig fahren darf. Ihm seien auch die Vorfahrtsregeln bekannt gewesen.
Da die Richter auch kein Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls erkennen konnten, haftet das Kind allein für dessen Folgen. Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig.
(Quelle VersicherungsJournal 31.01.2017)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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