13.02.2017
Doppelter Ärztepfusch: Streit um 45.000 Euro Schmerzensgeld

Ist sowohl einem Kinderarzt als auch einem Orthopäden, an welchen das Kind überwiesen wurde, ein Diagnosefehler unterlaufen, so sind beide zur Zahlung von Schadenersatz sowie eines Schmerzensgeldes verpflichtet. Das geht aus einem kürzlich veröffentlichten Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 31. Oktober 2016 hervor (3 U 173/15).
Die Klägerin wurde im Oktober 2009 mit einer reifeverzögerten Hüfte geboren. Sie wurde in der Folgezeit von einem Kinderarzt betreut.
Auffälliges Gangbild
Der kam einen Monat später bei der U3-Untersuchung jedoch zu dem Ergebnis, dass beide Hüftgelenke normal entwickelt seien. Erst als die Eltern des Kindes ein Jahr später von einem auffälligen Gangbild berichteten, überwies es der Arzt an einen Orthopäden.
Dieser stellte einige Wochen später Auffälligkeiten beim Gehen verbunden mit einem Hinken des Mädchens fest. Er verordnete ihm daher krankengymnastische Übungen. Einen Anlass zu einer röntgenologischen Abklärung sowie zu einer engmaschigen Kontrolle des Gangbildes sah er nicht.
Erst als das Kind einem zweiten Orthopäden vorgestellt wurde, wurde eine hohe Hüftgelenksluxation festgestellt. Diese musste in der Folgezeit zweimal operativ behandelt werden.
Beiderseitige Haftung
Mit dem Argument, dass sowohl dem Kinderarzt als auch dem erstbehandelnden Orthopäden ein massiver Diagnosefehler unterlaufen sei, zogen die Eltern stellvertretend für ihr Kind vor Gericht. Dort verklagten sie die beiden Ärzte auf Zahlung von Schadenersatz sowie ein gemeinsam zu zahlendes Schmerzensgeld.
Mit Erfolg. Das Hammer Oberlandesgericht gab der Klage dem Grunde nach statt. Einzig bei der Höhe des geforderten Schmerzensgeldes musste das Kind Abstriche hinnehmen.
Dem Kinderarzt warfen die durch einen Sachverständigen beratenen Richter vor, durch eine unzureichende Messung die Fehlstellung des linken Hüftgelenks fälschlicherweise als normal bezeichnet zu haben.
Wäre die Messung richtig gewesen, so wäre es bei anschließender konsequenter Behandlung der Reifeverzögerung mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer vollständigen Ausreifung der Hüfte gekommen. Dem Kind wären so die Operationen erspart geblieben.
Zunichte gemachte Chancen
Angesichts der hinkenden Gangart ist aber auch dem erstbehandelnden Orthopäden der Klägerin ein Diagnose- und Behandlungsfehler unterlaufen. Denn das Gangbild hätte nach Aussage des Gutachters Veranlassung dazu geben müssen, das Kind sofort zu röntgen oder das Gehverhalten zumindest engmaschig zu kontrollieren.
Beides sei nicht geschehen, sodass nicht nur der Kinderarzt, sondern auch der Orthopäde für die unnötigen Leiden der Klägerin verantwortlich sei. Der Kinderarzt wurde daher als Erstbehandler zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 25.000 Euro verurteilt. Der Orthopäde muss hingegen „nur“ 20.000 Euro zahlen.
Dass der Kinderarzt mehr zahlen muss als der Orthopäde, begründeten die Richter damit, dass bei einer richtigen Erstdiagnose die Erfolgschancen einer konservativen Therapie hoch gewesen seien. Diese Chancen habe der Kinderarzt und nicht der Orthopäde durch seinen Fehler zunichte gemacht.
Den Orthopäden treffe wegen seiner eigenen Fehleinschätzungen gleichwohl eine Haftungsverpflichtung, auch wenn zu diesem Zeitpunkt wohl keine konservative Therapie mehr möglich gewesen wäre.
(Quelle VersicherungsJournal 12.12.2016)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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