Besteht zwischen einem Versicherungsnehmer und seinem Versicherer im Fall eines Kaskoschadens Streit um einen zweistelligen Differenzbetrag, so ist es rechtsmissbräuchlich, wenn der Versicherer darauf besteht, vor einer gerichtlichen Klärung ein Sachverständigen-Verfahren durchführen zu lassen. Das hat das Landgericht Kempten mit einem kürzlich bekannt gewordenen Urteil vom 25. März 2015 entschieden (52 S 1550/14).
Der Kläger hatte bei dem beklagten Versicherer für sein Fahrzeug eine Teilkaskoversicherung abgeschlossen. Nachdem die Windschutzscheibe des Autos zerstört worden war, ließ er sie in einer Werkstatt ersetzen.
Der Versicherer war zwar grundsätzlich dazu bereit, die Reparaturkosten zu übernehmen. Streit gab es jedoch wegen von der Werkstatt in Rechnung gestellter Kleinteile im Wert von etwas mehr als 20 Euro. Deren Berechnung hielt der Versicherer für ungerechtfertigt.
Bagatelle
Doch anstatt sich angesichts dieses geringen Betrages zu einigen, beharrten beide Seiten auf ihrem Standpunkt. Der Versicherer bestand schließlich auf der Durchführung eines – bedingungsgemäß durchaus möglichen – Sachverständigen-Verfahrens.
Weil das der Kläger wohl nicht zuletzt wegen des damit verbundenen Kostenrisikos ablehnte, wäre seine Klageforderung eigentlich mangels Fälligkeit als „derzeit unbegründet“ abzuweisen gewesen – wäre der Fall nicht beim Kemptener Landgericht gelandet.
Dessen Richter entschieden nämlich, dass sich ein Kaskoversicherer nicht auf den Einwand eines nicht durchgeführten Sachverständigen-Verfahrens berufen kann, wenn es um einen Streit im zweistelligen Bereich geht.
Rechtsmissbräuchlich
Nach Ansicht des Gerichts war es in dem entschiedenen Fall zweifelhaft, ob ein Sachverständiger den Fall überhaupt hätte klären können. Unabhängig davon hielten es die Richter für rechtsmissbräuchlich, dass der Versicherer bei einem so geringen Betrag auf die Durchführung eines Sachverständigen-Verfahrens bestanden hatte.
Denn würde man dem folgen, so würde die Gefahr bestehen, dass sich ein Versicherter angesichts des Kostenrisikos eines derartigen Verfahrens davon abhalten lassen könnte, sich im zweistelligen Bereich gegen Abzüge seines Versicherers zur Wehr zu setzen. Das aber widerspreche dem Sinn und Zweck eines Sachverständigen-Verfahrens, so das Gericht.
Das Gericht sah keine Veranlassung, ein Rechtsmittel gegen seine Entscheidung zuzulassen.
(Quelle VersicherungsJournal 24.11.2016)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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