Kollidiert ein rückwärtsfahrendes Müllfahrzeug mit einem aus einer Seitenstraße kommenden Personenkraftwagen, so ist der Fahrer des Müllautos selbst dann überwiegend für den Unfall verantwortlich, wenn er Vorfahrt gehabt hat. Das geht aus einem Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 7. Oktober 2016 hervor (13 S 35/16).
Der Kläger wollte mit seinem Personenkraftwagen nach rechts auf eine Hauptstraße einbiegen. Dabei kam es zu einer Kollision mit einem von links kommenden Müllfahrzeug, dessen Fahrer die enge Hauptstraße rückwärts befuhr.
Gegenseitiges Verschulden?
Der Kläger behauptete, bereits in die Hauptstraße eingefahren zu sein und im letzten Augenblick durch Hupen auf sich aufmerksam gemacht zu haben. Hingegen verteidigte sich der Fahrer des Müllautos damit, zum Zeitpunkt des Unfalls lediglich 18 km/h gefahren zu sein. Zu dem Unfall sei es nur deswegen gekommen, weil der Kläger seine Vorfahrt missachtet habe.
Das in der ersten Instanz mit dem Fall befasste Amtsgericht Homburg traf eine salomonische Entscheidung. Während es dem Kläger vorwarf, eine Vorfahrtsverletzung begangen zu haben, hielt es dem Fahrer des Müllfahrzeugs einen Verstoß seiner Sorgfaltspflichten beim Rückwärtsfahren entgegen. Das Gericht ging daher von einem gegenseitigen Verschulden mit dem Ergebnis einer Schadenteilung aus.
Doch dem wollte sich das in zweiter Instanz mit dem Fall befasste Saarbrücker Landgericht nicht anschließen. Es gab der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts teilweise statt.
Vorfahrtsverletzung
Kommt es im Bereich einer Einmündung zu einem Unfall, so spricht nach Ansicht der Richter ein Anscheinsbeweis dafür, dass sich der Wartepflichtige einer Vorfahrtsverletzung im Sinne von § 8 StVO schuldig gemacht hat.
Das gelte auch dann, wenn der Vorfahrtsberechtigte, wie in dem entschiedenen Fall, rückwärts gefahren sei. Denn die Vorfahrt erstrecke sich unabhängig von der Fahrtrichtung auf die gesamte Straßenbreite.
Selbst wenn das Fahrzeug des Klägers, wie von ihm behauptet, zum Zeitpunkt des Unfalls gestanden haben sollte, reicht das nach Meinung des Gerichts nicht aus, den Anscheinsbeweis zu entkräften. Das wäre nämlich nur dann möglich gewesen, wenn der Kläger nachgewiesen hätte, dass sein Auto bereits längere Zeit gestanden hätte und sich der vorfahrtsberechtigte Müllwagenfahrer darauf hätte einstellen können. Ein solcher Nachweis ist dem Kläger jedoch nicht gelungen.
Schwerwiegender Pflichtverstoß
Dem Fahrer des Müllfahrzeugs warfen die Richter einen Verstoß gegen § 9 Absatz 5 StVO vor. Danach hat sich ein Rückwärtsfahrender nämlich so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Er hat sich erforderlichenfalls einweisen zu lassen. Das ergäbe sich auch aus den Unfallverhütungs-Vorschriften zur Müllbeseitigung.
Doch obwohl der Fahrer die Möglichkeit gehabt hätte, sich von seinen ihn begleitenden Kollegen einweisen zu lassen, habe der darauf nachweislich verzichtet. Diesen Pflichtverstoß bewerteten die Richter als besonders schwerwiegend. Denn die Gefahr eines Zusammenstoßes mit dem untergeordneten Verkehr sei angesichts der nahegelegenen Einmündung offensichtlich gewesen.
Das Gericht hielt daher eine Haftungsverteilung von zwei Dritteln zu einem Drittel zulasten des Müllwagenfahrers für angemessen. Es sah keine Veranlassung, ein Rechtsmittel gegen seine Entscheidung zuzulassen.
(Quelle VersicherungsJournal 22.11.2016)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
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