05.12.2016
Wenn Wildschweine auf der Autobahn liegen

Selbst wenn ein Versicherter seinem Teilkaskoversicherer einen Wildschaden erst zwei Tage nach dem Schadenereignis meldet, so stellt das in der Regel keine zur Verweigerung der Regulierung des Schadens berechtigende Obliegenheitsverletzung dar. Das geht aus einem Urteil des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 11. Dezember 2015 hervor (4 C 575/13).
Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs war an einem Novemberabend des Jahres 2012 auf einer Autobahn unterwegs, als er bei Dunkelheit über ein auf der Fahrbahn liegendes Wildschwein fuhr.
Das Tier gehörte zu einer Rotte von fünf Wildschweinen, die kurz zuvor von anderen Fahrzeugen überfahren und getötet worden waren. Zum Zeitpunkt des Zwischenfalls war jedoch weder dem Fahrer noch seinen zwei Mitfahrern bewusst, dass es sich bei dem überfahrenen Hindernis um ein totes Wildschwein gehandelt hatte.
Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung?
Weil der Fahrer zunächst keine Beeinträchtigungen an dem Fahrzeug feststellte, fuhr er weiter. Als er die Autobahn an der nächsten Abfahrt verließ, stellte er jedoch fest, dass sich das Auto nur noch schwer lenken ließ. Er stellte es daher bei der ersten sich bietenden Gelegenheit an einer sicheren Stelle am Fahrbahnrand ab.
Nach Begutachtung des Fahrzeugs durch einen eigenen Sachverständigen bestritt der Teilkaskoversicherer des Klägers, dass der versicherte Personenkraftwagen durch das Überfahren eines Wildschweins beschädigt worden war.
Er berief sich außerdem auf Leistungsfreiheit wegen einer schuldhaften Obliegenheitsverletzung. Denn die Schadenmeldung habe er erst zwei Tage später erhalten. Der Versicherte trug hingegen vor, seinem Versicherer den Vorfall bereits am nächsten Tag telefonisch angezeigt zu haben.
Der Versicherer argumentierte zudem damit, dass die notwendige Schadenmeldung bei der Polizei sogar erst neun Tage nach dem Vorfall erfolgt sei. Letzteres wurde von dem Kläger auch nicht bestritten. Er hielt seinen Versicherer gleichwohl zur Leistung verpflichtet.
Wildschaden im Sinne der Versicherungs-Bedingungen
Zu Recht, urteilte das Amtsgericht Kaiserslautern. Es gab der Klage gegen den Teilkaskoversicherer statt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hielt es das Gericht für erwiesen, dass der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs tatsächlich über eines der auf der Fahrbahn liegenden toten Wildschweine gefahren ist.
Denn zu dem von dem Kläger behaupteten Zeitpunkt des Zwischenfalls hatte es nachweislich einen Wildunfall auf dem Autobahnabschnitt gegeben. Das wurde sowohl von mehreren Beteiligten als auch von der Polizei bestätigt.
Ein vom Gericht beauftragter Gutachter war darüber hinaus zu dem Ergebnis gekommen, dass es zu einer Berührung zwischen dem klägerischen Fahrzeug und einem Wildschwein gekommen sein musste. Das schloss er unter anderem daraus, weil das Schadenbild in Einklang mit der Schilderung des Klägers gestanden hatte. Das Gericht ging daher von einem Wildschaden im Sinne der Versicherungs-Bedingungen aus.
Keine schuldhafte Obliegenheitsverletzung
Auch den Einwand des Versicherers, dass er leistungsfrei sei, weil der Kläger den Schaden zu spät gemeldet habe, hielt das Gericht für unbegründet. Denn selbst wenn die Darstellung des Versicherers stimmen sollte, dass der Schaden erst zwei Tage nach dem Vorfall gemeldet wurde, sei der Kläger seiner vertraglichen Verpflichtung zu einer unverzüglichen Meldung nachgekommen.
Unverzüglich bedeute nämlich nicht, dass ein Schaden sofort, also etwa noch am Tag der Kenntniserlangung gemeldet werden muss. „Bei der Feststellung der Unverzüglichkeit sind vielmehr die berechtigten Belange der Beteiligten angemessen zu berücksichtigen“, so das Gericht.
Mangels einer konkret vertraglich vereinbarten Frist müsse ein Schaden mithin „ohne schuldhaftes Zögern“ angezeigt werden. Dieser Verpflichtung sei der Kläger jedoch in ausreichendem Maße nachgekommen.
Im Übrigen habe die Tatsache, dass der Kläger den Vorfall erst neun Tage später der Polizei angezeigt hatte, keinen negativen Einfluss auf die Ermittlungen des Versicherers gehabt. Er könne sich daher auch aus diesem Grund nicht auf Leistungsfreiheit berufen.
(Quelle VersicherungsJournal 13.10.2016)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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