28.11.2016
Fahrradunfall: Verhängnisvoller Irrtum

Wird die rechte Spur einer mehrspurigen Straße in einem weiten Bogen nach rechts geführt, um in eine im rechten Winkel verlaufende andere Straße überzugehen, so handelt es sich nicht um Rechtsabbiegen im Sinne der Straßenverkehrsordnung. Das hat zum Ergebnis, dass Fahrradfahrer und Fußgänger, welche die Straße überqueren wollen, wartepflichtig sind, so das Amtsgericht Dortmund in einem Urteil vom 6. September 2016 (425 C4545/16).
Die Tochter des Klägers war mit dessen Personenkraftwagen auf einer mehrspurigen Straße unterwegs, deren rechte Spur ähnlich mancher Autobahnabfahrten in einem großen Bogen nach rechts in eine andere Straße geführt wurde.
Parallel zu der rechten Fahrbahn verlief ein Rad- und Fußweg, auf welchem die Straße geradeaus überquert werden konnte. Dazu war der Bordstein auf beiden Seiten abgesenkt. Eine Beschilderung oder gar ein Zebrastreifen waren allerdings nicht vorhanden.
Gegenseitige Schuldzuweisung
Der den Fuß- und Radweg benutzende Beklagte wollte die Straße mit seinem Fahrrad überqueren. Dabei fuhr die Tochter des Klägers in das Vorderrad seines Velos.
Der Beklagte war der Meinung, dass er wegen des Quasi-Abbiegevorgangs der Autofahrerin dieser gegenüber bevorrechtigt war. Der Halter des Personenkraftwagens vertrat hingegen die Auffassung, dass der Beklagte die Straße nur dann hätte überqueren dürfen, wenn dieses gefahrlos möglich wäre. Denn obwohl die Straße ihren Namen gewechselt habe, sei seine Tochter nicht als Rechtsabbiegerin im Sinne von § 9 Absatz 3 StVO anzusehen.
Dem schloss sich das Dortmunder Amtsgericht an. Es gab daher der Schadenersatzklage des Halters des Personenkraftwagens überwiegend statt.
Mithaftung aus Betriebsgefahr
Nach Überzeugung des Gerichts ist die Tochter des Klägers aufgrund der Straßenführung nicht nach rechts abgebogen. Der Beklagte stand daher nicht unter dem Schutz von § 9 Absatz 3 StVO, nach welchem die Autofahrerin ihm gegenüber wartepflichtig gewesen wäre, wenn es sich tatsächlich um einen Abbiegevorgang gehandelt hätte.
Die Tatsache, dass die Bordsteine an beiden Seiten des Fuß- und Radweges abgesenkt waren, ändere daran nichts. Denn eine typische Situation, dass die Tochter des Klägers aus der Sicht des Beklagten quasi „um die Ecke“ kam, ergab sich an der Unfallstelle nicht, so das Gericht.
Der Kläger muss sich allerdings die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs anrechnen lassen. Die bewertete das Gericht mit 20 Prozent. Denn aufgrund der besonderen Situation an der Unfallstelle habe seine Tochter mit einem eventuellen Fehlverhalten von Fahrradfahrern und Fußgängern rechnen und ihr Fahrweise darauf einstellen müssen. Das sei aber offenkundig nicht geschehen, so dass der Unfall für sie nicht unabwendbar war.
(Quelle VersicherungsJournal 11.10.2016)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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