Wer mit seinem Fahrrad auf dem Gelände eines Industriedenkmals beim Überqueren von in ihrem ursprünglichen Zustand belassenen Bahnschienen stürzt, kann nicht die für den Unterhalt des Geländes Zuständigen zur Verantwortung ziehen. Das geht aus einem am Freitag veröffentlichten Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 9. Juni 2016 hervor (6 U 35/16).
Die seinerzeit 64-jährige Klägerin hatte im Juli 2013 das von einer Stiftung unterhaltene Gelände der Zeche Zollverein besucht. Dabei erkundete sie mit ihrem Fahrrad die weitläufige, unter Denkmalschutz stehende ehemalige Industrieanlage.
Schwere Kopfverletzung
Beim Überqueren von in ihrem ursprünglichen Zustand belassenen Bahnschienen geriet das Vorderrad ihres Velos in eine Rille. Bei dem sich anschließenden Sturz zog sich die Klägerin eine schwere Kopfverletzung zu, die operativ versorgt werden musste.
Die Frau verklagte die Stiftung wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungs-Pflicht auf Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld. Ihr Argument: Die Schienen seien an anderer Stelle des Geländes bündig in den Asphalt eingelassen – und sie habe nicht damit rechnen müssen, dass das an der Unfallstelle nicht der Fall sei.
Ohne Erfolg. Wie bereits zuvor die Richter des Essener Landgerichts, waren auch ihre Kollegen des Oberlandesgerichts Hamm der Meinung, dass dem Verein kein Fehlverhalten vorgeworfen werden kann.
Deutlich erkennbares Hindernis
Nach Ansicht der Richter haben sich Fahrradfahrer insbesondere im Bereich von Schienen beziehungsweise in die Fahrbahn eingelassenen Gleisen grundsätzlich auf die damit verbundenen typischen Gefahren einzustellen.
Das gelte insbesondere dann, wenn sich, wie in dem entschiedenen Fall, die Gleisanlage deutlich und gut sichtbar vom übrigen Straßen- beziehungsweise Radwegverlauf abhebe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war die Gleisanlage schon von Weitem als Hindernis zu erkennen. Die Betreiberin des Geländes habe daher nicht durch Schilder vor ihr warnen müssen.
Rechtskräftige Entscheidung
Daran ändere auch der Umstand nichts, dass Schienen an anderen Stellen des historischen Geländes bündig in Asphalt eingelassen worden seien. Sinn und Zweck eines Industriedenkmals sei es nämlich, den Besuchern bauliche Besonderheiten der Anlage möglichst originalgetreu nahezubringen. Dazu gehöre es auch, zumindest einen Teil der Gleisanlage in ihrem ursprünglichen Zustand zu belassen.
Die Klägerin habe folglich nicht davon ausgehen dürfen, dass sie sich mit ihrem Fahrrad gefahrlos auf dem ehemaligen Zechengelände bewegen konnte. Sie sei daher selbst für ihren Sturz verantwortlich.
Nach dem Hinweisbeschluss des Hammer Oberlandesgerichts hat die Frau ihre Berufung gegen das klageabweisende Urteil der ersten Instanz zurückgenommen. Die Entscheidung ist somit rechtskräftig.
(Quelle VersicherungsJournal 10.10.2016)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
juergenzwilling@auc-zwilling.de ursulazwilling@auc-zwilling.de