14.11.2016
Folgeschwerer Unfall auf dem Weg zur Arbeit

Grundsätzlich muss ein Arbeitnehmer den kürzesten Weg von seiner Wohnung zur Arbeit und zurück nehmen, um unfallversichert zu sein. Kommen dabei aber mehrere Strecken in Frage, kann er nach mehreren Kriterien selbst entscheiden, welche er nimmt. Tanken unterwegs ist dabei zwar nicht versichert. Wenn er dafür aber nicht von der eigentlichen Strecke abkommt, gefährdet das den Versicherungsschutz nicht. Dies ist der Tenor eines Urteils des Sozialgerichts Frankfurt vom 17. März 2016 (S 23 U 92/14).
Die Fachverkäuferin einer Bäckerei war mit ihrem Mofa auf dem Heimweg von der Arbeit, als sie mit ihrem Roller ausrutschte und hinfiel. Danach musste sie stationär und physiotherapeutisch behandelt werden.
Nicht der direkte Weg
Nach ihren Angaben nahm sie den gleichen Weg wie immer. Das war zwar nicht die kürzeste Strecke, aber dafür war sie sicherer – bei dem kürzeren Weg musste sie an parkenden Autos vorbei und sah sich durch ausparkende Fahrzeuge in ihrer Sicherheit gefährdet.
Am Unfalltag hatte sie den Weg auch deshalb gewählt, weil er direkt an einer Esso-Tankstelle vorbeiführte und die Tankuhr an ihrem Mofa anzeigte, dass Nachtanken erforderlich war.
Diese Angaben nahm der gesetzliche Unfallversicherungs-Träger zum Anlass, die Gewährung von Leistungen abzulehnen. Die Mopedfahrerin habe nicht den direkten Weg nach Hause genommen, weil sie noch tanken wollte. Tanken zähle aber zu den unversicherten Tätigkeiten und sei dem persönlichen Lebensbereich zuzuordnen.
Zudem hätte ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung angegeben, dass er persönlich einen anderen Weg, der zudem kürzer sei, für weniger gefährlich halte. Deshalb hätte die Verkäuferin keinen Grund gehabt, den anderen Weg zu wählen.
Tanken zwingend nötig
Dagegen legte die Frau Klage vor dem Gericht ein und ergänzte, dass das Tanken zwingend nötig gewesen wäre, um überhaupt noch nach Hause zu kommen. Das Tanken sei dabei ein Zwischenziel auf dem Weg nach Hause und nicht der eigentliche Zweck des Weges gewesen.
Das Gericht zog bei dem Mitarbeiter der Stadtverwaltung weitere Auskünfte ein. Dabei relativierte dieser seine Aussagen über die geringere Gefährlichkeit der alternativen Strecke.
Außerdem stellte das Gericht mit Hilfe von Google Maps fest, dass die kürzeste Strecke 3,2 Kilometer lang sei, die tatsächlich gefahrene Route 4,1 Kilometer.
Unerhebliche Verlängerung
Dies sei eine unerhebliche Verlängerung, da man berücksichtigen müsse, dass bei kurzen Gesamtstrecken der Längenunterschied prozentual höher ausfallen könne.
Auf beiden Wegen lauerten für Zweiradfahrer – wenn auch unterschiedliche – Gefahren. Deshalb sei der von der Klägerin gewählte Weg grundsätzlich als versicherter Weg anzusehen, zumal sie sich für ihn entschieden hätte, um den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte möglichst unbeschadet zurückzulegen und so mit ihrer Arbeitskraft voll für den Arbeitgeber zur Verfügung zu stehen. Das sei keine rein oder überwiegend private Motivation.
Daneben falle das Tanken nicht ins Gewicht, zumal die Unterbrechung dafür geringfügig gewesen sei und den üblichen Heimweg nicht verändert habe. Das Tanken hätte quasi im Vorbeigehen erledigt werden können, wobei sich der Unfall noch vor der Tankstelle ereignet hatte, so dass der versicherte Weg noch gar nicht unterbrochen worden war.
Deshalb gab das Gericht der Klage in vollem Umfang statt und stellte fest, dass es sich um einen Versicherungsfall gehandelt habe.
(Quelle VersicherungsJournal 30.09.2016)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
juergenzwilling@auc-zwilling.de ursulazwilling@auc-zwilling.de