31.10.2016
Haftungsfrage nach Crash auf Autobahnabfahrt

Stoßen zwei Kraftfahrzeuge in der Gabelung einer Autobahnabfahrt zusammen, so kommt je nach den Umständen des Einzelfalls eine hälftige Haftung beider Beteiligten für den Unfallschaden in Betracht. Das hat das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 3. Juni 2016 entschieden (7 U 14/16).
Die Ehefrau des Klägers wollte mit dessen Personenkraftwagen eine Autobahn verlassen. Dabei kam es im Bereich einer Gabelung der Autobahnabfahrt zu einer Kollision mit einem von hinten kommenden Taxi.
Dessen Fahrerin wollte in die gleiche Richtung abbiegen wie die Ehefrau des Klägers. Kurz vorher versuchte sie jedoch, das vorausfahrende Fahrzeug noch rechts zu überholen.
Da sich die Beteiligten gegenseitig für den Unfall verantwortlich machten, landete der Fall vor dem Hammer Oberlandesgericht. Das fällte eine salomonische Entscheidung.
Änderung der Fahrtrichtung?
Gabelt sich eine Straße ohne vorfahrtsregelnde Verkehrszeichen in zwei Schenkel, so beurteilen sich die Pflichten der Verkehrsteilnehmer nach Ansicht der Richter danach, ob ein Straßenschenkel nach vernünftiger Verkehrsauffassung als Fortsetzung der bisherigen Fahrtrichtung anzusehen ist.
Ist das der Fall, stelle das Befahren dieses Schenkels keine Änderung der Fahrtrichtung dar. Das habe zur Folge, dass ein Kraftfahrer, der mit seinem Fahrzeug ebenfalls in diese Richtung abbiegen wolle, das Vorfahrtsrecht desjenigen zu beachten habe, der sich bereits auf dieser Spur befinde.
Sei, wie in dem entschiedenen Fall, keiner der Schenkel deutlich als Fortsetzung der bisherigen Straße zu erkennen, ändere jeder Fahrzeugführer beim Einfahren in einen der beiden Schenkel seine Fahrtrichtung. Dementsprechend habe er dies als Abbiegen unter Benutzung des Fahrtrichtungsanzeigers und durch ein Sich-Einordnen anzukündigen und auf den nachfolgenden Verkehr zu achten, so das Gericht.
50:50
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme haben beide an dem Unfall beteiligten Fahrzeugführerinnen gegen dieses Gebot verstoßen.
Denn die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs hatte ihren Pflichten nicht genügt, weil sie beim Abbiegen in den rechten Fahrbahnschenkel nicht ausreichend auf den rückwärtigen Verkehr und damit auf das Fahrzeug der Beklagten geachtet hatte. Sie hatte außerdem nicht geblinkt und sich zunächst eher mittig auf der Fahrbahn eingeordnet.
Der Fahrerin des Taxis war hingegen vorzuwerfen, dass sie vor dem Zusammenstoß verkehrswidrig versucht hatte, rechts zu überholen. Denn rechts dürfen nur jene Verkehrsteilnehmer überholt werden, die ihre Absicht, nach links abzubiegen, angekündigt und sich entsprechend eingeordnet haben.
Die Richter gingen daher von einem beiderseitigen Verschulden der Fahrzeugführerinnen mit dem Ergebnis einer Schadenteilung aus. Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig.
(Quelle VersicherungsJournal 12.09.2016)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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