10.10.2016
Streit um den Restwert eines Unfallwagens

Ein Geschädigter darf in der Regel auf die Angaben eines von ihm beauftragten Sachverständigen vertrauen. Er verstößt daher nicht gegen seine Schadenminderungs-Pflicht, wenn er sein Fahrzeug nach einem Totalschaden zu einem äußerst geringen, in dem Gutachten genannten Restwert veräußert. Das hat das Amtsgericht Lübeck mit Urteil vom 25. April 2016 entschieden (26 C 2975/15).
Das Fahrzeug des Klägers hatte bei einem von einem Dritten verursachten Unfall einen Totalschaden erlitten.
Ein von dem Kläger beauftragter Sachverständiger holte auf dem regionalen Markt ordnungsgemäß drei Restwertangebote ein. Während zwei Verwertern das Fahrzeug keinen Cent wert war, war ein dritter dazu bereit, das Auto für 50 Euro zu übernehmen. Darauf ließ sich der Kläger ein.
Verstoß gegen Schadenminderungs-Pflicht?
Der Versicherer des Unfallverursachers sah darin einen Verstoß des Klägers gegen seine Schadenminderungs-Pflicht gemäß § 254 Absatz 2 BGB. Denn nachdem ihm das Gutachten vorgelegt worden ist, hat er einen Händler in Leipzig ausfindig gemacht, der für das Fahrzeug 3.300 Euro bezahlt hätte.
Nach Meinung des Versicherers hätte der Kläger sein Fahrzeug erst veräußern dürfen, nachdem er das Sachverständigen-Gutachten eingereicht und dem Versicherer eine angemessene Frist zur Reaktion eingeräumt hätte. Er kürzte daher seine Schadenersatzzahlung um einen Betrag von 3.250 Euro.
Kein Grund für Zweifel
Zu Unrecht, befand das Lübecker Amtsgericht. Es gab der Klage des Geschädigten auf Zahlung des einbehaltenen Betrages statt.
In seiner Urteilsbegründung wies das Gericht zunächst einmal darauf hin, dass ein Geschädigter regelmäßig dann von einer korrekten Ermittlung eines Fahrzeugrestwerts durch einen Sachverständigen ausgehen darf, wenn dieser entsprechend der Empfehlung des 40. Deutschen Verkehrsgerichtstages für das Unfallfahrzeug drei Angebote auf dem regionalen Markt eingeholt hat. Diesen Anforderungen habe der Gutachter entsprochen.
Als technischer Laie musste der Kläger daher trotz des geringen Restwerts keine Zweifel an der Richtigkeit der in dem Gutachten genannten Summe haben. Er durfte vielmehr auf die Angaben des Sachverständigen vertrauen.
Sache des Geschädigten
Im Übrigen war der Kläger auch nicht dazu verpflichtet, dem gegnerischen Versicherer zunächst das Gutachten zur Verfügung zu stellen und darauf zu warten, ob dieser ihm möglicherweise ein höheres Restwertangebot unterbreiten werde. Denn ein Geschädigter habe ein berechtigtes Interesse daran, dass ein Schaden so schnell wie möglich reguliert wird. Er dürfe daher grundsätzlich selbst bestimmen, wie er mit der beschädigten Sache verfährt.
„Das Risiko eines Falschgutachtens geht im Verhältnis zum Geschädigten zu Lasten des Schädigers. Dieser ist jedoch nicht rechtlos gestellt. Denn er kann sich an den Sachverständigen halten, wenn er den von diesem festgestellten Restwert für unzutreffend hält“, heißt es dazu ergänzend in der Urteilsbegründung.
Darin erklärte das Gericht zudem, dass es nur eine Ausnahme von dieser Regel nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebe. Diese würde gelten, wenn einem Geschädigten vom gegnerischen Haftpflichtversicherer vor der Veräußerung seines Fahrzeugs eine erheblich günstigere Verwertungsmöglichkeit unterbreitet worden wäre, die er ohne Weiteres hätte wahrnehmen können und deren Wahrnehmung ihm zumutbar gewesen wäre.
(Quelle VersicherungsJournal 28.07.2016)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
juergenzwilling@auc-zwilling.de ursulazwilling@auc-zwilling.de