Betraut ein Geschädigter einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen, obwohl der Versicherer des Unfallverursachers einen Tag nach dem Unfall erklärt, den Schaden regulieren zu wollen, ist dieser in der Regel nicht zur Übernahme der Anwaltskosten verpflichtet. Das hat das Landgericht Ingolstadt mit Urteil vom 16. Dezember 2015 entschieden (12 S 1523/15).
Der Personenkraftwagen der Klägerin hatte im Dezember 2014 bei einem Unfall einen Totalschaden erlitten.
Nur einen Tag nach Erhalt einer telefonischen Schadenmeldung erklärte sich der Versicherer des Unfallverursachers gegenüber der Klägerin schriftlich dazu bereit, den unfallbedingten Schaden regulieren zu wollen.
Verstoß gegen Schadenminderungs-Pflicht?
Die Klägerin beauftragte trotz allem noch am selben Tag einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen. Der Versicherer sah darin einen Verstoß gegen die Schadenminderungs-Pflicht gemäß § 254 Absatz 2 BGB. Er weigerte sich daher, die Kosten des Anwalts zu übernehmen.
Zu Recht, urteilte das Ingolstädter Landgericht. Es wies die Klage der Geschädigten als unbegründet zurück.
Einfach gelagerter Fall
Das Gericht ging von einem einfach gelagerten Schadensfall aus, bei dem die Haftung dem Grunde und der Höhe nach derart klar ist, dass aus der Sicht eines Geschädigten kein Anlass zu Zweifeln an der Ersatzpflicht des Schädigers besteht.
Hier sei für die erstmalige Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Schädiger beziehungsweise dessen Versicherer die Einschaltung eines Anwalts nur dann erforderlich, wenn der Geschädigte selbst, etwa aus einem Mangel an geschäftlicher Gewandtheit, dazu nicht in der Lage ist.
Nach Ansicht der Richter bestand in dem entschiedenen Fall angesichts der schriftlichen Regulierungszusage des gegnerischen Versicherers keinerlei Grund, einen Rechtsanwalt mit der Durchsetzung der Schadenersatzansprüche zu betrauen. Zumal die Klägerin vor Gericht nicht den Eindruck hinterließ, ihre Forderungen nicht auch selbst durchsetzen zu können.
Erst nach Zahlungsweigerung
Ein Grund dafür, einen Anwalt einzuschalten, bestand nach Meinung des Gerichts erst in dem Augenblick, als sich der beklagte Versicherer weigerte, der Klägerin den vollständigen von ihr geforderten Betrag zu zahlen. Die daraus resultierenden Anwaltskosten hat der Versicherer zu übernehmen.
Die Richter sahen keine Veranlassung, eine Revision gegen ihre Entscheidung zuzulassen.
(Quelle VersicherungsJournal 29.04.2016)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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