Sind bei der Abwicklung eines Verkehrsunfallschadens Mietwagenkosten nach einem angemessenen Normaltarif zu schätzen, so ist als Schätzungsgrundlage der Mittelwert der Marktpreiserhebungen nach der sogenannten Schwacke-Liste und dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel zu nehmen. Das hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit Urteil vom 18. März 2016 entschieden (9 U 142/15).
Der Kläger hatte wegen Streitigkeiten infolge eines Verkehrsunfalls die Gerichte bemüht. Nachdem es zur Schuldfrage zu einer Einigung gekommen war, ging es letztlich nur noch darum, ob die von dem Kläger beanspruchten Mietwagenkosten der Höhe nach gerechtfertigt waren.
Verstoß gegen Wirtschaftlichkeits-Gebot?
Der Versicherer des Unfallgegners war nämlich der Meinung, dass der Kläger bei der Anmietung des vorübergehenden Ersatzfahrzeugs gegen das Wirtschaftlichkeits-Gebot verstoßen habe. Der Ausfallschaden sei daher vom Gericht nach dem angemessenen Normaltarif zu schätzen.
Denn es komme darauf an, zu welchen Konditionen der Kläger einen Mietwagen hätte anmieten können, wenn er dem Gebot der Wirtschaftlichkeit entsprochen hätte.
Unterschiedliche Methoden
In ihrer Entscheidung wiesen die Richter des Hammer Oberlandesgerichts zunächst einmal darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowohl die Marktpreis-Erhebungen der sogenannten Schwacke-Liste als auch die des Fraunhofer-Marktpreisspiegels zur Grundlage einer Schätzung gemacht werden können.
Angesichts der unterschiedlichen Erhebungsmethoden der beiden Institute könne es jedoch zu erheblichen Abweichungen kommen. Denn während die Rechercheergebnisse des Fraunhofer Instituts im Wesentlichen auf einer anonymen Internetabfrage basierten, würden die Werte der Schwacke-Liste auf Basis einer örtlich genauen Anbieteranfrage ermittelt.
Die Richter schlossen sich der Meinung des Bundesgerichtshofs an, dass beide Methoden sachgerecht sind. Daher spreche zunächst einmal nichts dagegen, dass sich ein Gericht bei einer Schätzung für die eine oder andere Veröffentlichung entscheide.
Erhebliche Differenz
Im Fall des Klägers wurde nach der Schwacke-Liste jedoch ein Wert von rund 1.140 Euro ermittelt, während ihm nach der Frauenhofer-Methode lediglich Mietwagenkosten in Höhe von etwas mehr als 490 Euro zugestanden hätten.
Die Richter entschlossen sich daher, den Mittelwert beider Methoden, den sie als „Fracke“ bezeichneten, zur Grundlage ihrer Schätzung zu machen. Da dieser Wert nur geringfügig von den von dem Kläger verlangten Kosten abwich, wurde seiner Klage stattgegeben.
In einer Stellungnahme zu der Entscheidung betonte das Gericht, dass die Frage, welche der Schätzmethoden heranzuziehen sei, von den Gerichten bislang noch nicht einheitlich entschieden wurde. Mit dem Urteil habe man daher bewusst Neuland betreten.
(Quelle VersicherungsJournal 19.04.2016)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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