Wer einem Nachbarn im Rahmen einer Gefälligkeit einen Schaden zufügt, für den die Gebäude- und Hausratsversicherung des Geschädigten eintritt, kann von dem Versicherer in Regress genommen werden. Aus dem Nachbarschafts-Verhältnis ergibt sich in derartigen Fällen keine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz, so das Oberlandesgericht Hamm in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 17. November 2015 (9 U 26/15).
Geklagt hatte ein Versicherer, der den haftpflichtversicherten Beklagten wegen eines von diesem verursachten Wasserschadens in Regress nehmen wollte.
Folgenreicher Fehler
Der Beklagte und der Geschädigte sind Nachbarn. Während urlaubsbedingter Abwesenheiten hatten sie es über lange Jahre wechselseitig übernommen, bei Bedarf die Hausgärten des jeweils anderen zu wässern. Das ging bis zum August 2013 gut. Denn da unterlief dem Beklagten ein Fehler.
Das für die Gartenbewässerung benötigte Wasser hatte er wie immer aus einem Teich seines Nachbarn entnommen. Diesen füllte er anschließend mithilfe eines an einer Außenwasserstelle angeschlossenen Schlauchs wieder auf.
Dieses Mal vergaß es der Beklagte jedoch, den Wasserhahn nach dem Auffüllen des Teichs abzusperren. Das führte dazu, dass der Teich überlief und sich das Wasser in das Kellergeschoss des Gebäudes des Nachbarn ergoss.
Der dadurch entstandene Schaden von rund 7.300 Euro wurde vom Gebäude- und Hausratversicherer des Geschädigten übernommen. Der wollte den Beklagten jedoch in Höhe seiner Aufwendungen in Regress nehmen. Denn schließlich habe dieser den Schaden zumindest durch leichte Fahrlässigkeit verursacht.
Im Sinne eines gutnachbarschaftlichen Verhältnisses
Das in erster Instanz mit dem Fall befasste Landgericht Münster wies die Regressforderungen zurück. Das begründete das Gericht damit, dass ein einem Nachbarn aus leichter Fahrlässigkeit zugefügter Schaden, welchen dessen Gebäude- und Hausratversicherung ausgleiche, keinen Regressanspruch des Versicherers gegen den Schädiger begründe.
Ebenso wie im Verhältnis des Gebäudeversicherers eines Vermieters zum haftpflichtversicherten Mieter, bei dem die Rechtsprechung mit Rücksicht auf das langfristig angelegte Mietverhältnis eine Haftungsbeschränkung auf Fälle von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit annehme, müsse eine solche auch für nachbarschaftliche Verhältnis gelten.
Denn auch diese müssten von unnötigen Spannungen freigehalten werden, welche durch Regressansprüche ihrer jeweiligen Versicherer entstehen könnten.
Keine Haftungsbeschränkung
Doch dem wollten sich die Richter des Hammer Oberlandesgerichts nicht anschließen. Sie gaben der Berufung des Versicherers gegen das erstinstanzliche Urteil statt.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gab es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es zwischen dem Beklagten und seinem Nachbarn eine Absprache gegeben hatte, welche einen Haftungsausschluss für Schäden im Rahmen der Nachbarschaftshilfe durch leichte Fahrlässigkeit beinhaltete. Beide Beteiligten räumten ein, sich hierüber keine Gedanken gemacht zu haben.
Allein aus der Tatsache eines guten nachbarschaftlichen Verhältnisses lässt sich nach Ansicht des Gerichts jedoch keine Haftungsbeschränkung ableiten. Denn eine derartige Einschränkung erkenne die Rechtsprechung nur bei Gebäudeversicherungs-Verträgen zwischen dem vermietenden Hauseigentümer als Versicherungsnehmer und seinem Gebäudeversicherer an.
Nicht übertragbar
Sie sei nicht auf andere Fallgestaltungen zu übertragen. Denn im Rahmen einer Gebäudeversicherung würde ein Mieter in der Regel über den kalkulierten Mietzins oder im Rahmen der Nebenkostenabrechnung an den Versicherungsbeiträgen beteiligt.
Wenn man das Mietverhältnis von jeglichen Belastungen aus einem Regress freihalten wolle, müsse man konsequenter Weise zum beispielsweise auch dem Kraftfahrzeug-Kaskoversicherer und dem Krankenversicherer des Vermieters einen Regressverzicht zumuten, wenn der Mieter versehentlich das Kraftfahrzeug des Vermieters beschädige oder den Vermieter körperlich verletze. Einen derartig weit gefassten Regressverzicht lehne die Rechtsprechung jedoch zu Recht ab, so das Gericht.
Aus diesem Grund sei auch kein Regressverzicht bei Schadenfällen im Rahmen eines Nachbarschafts-Verhältnisses anzunehmen. Der klagende Versicherer kann den Beklagten daher in Rückgriff nehmen. Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig.
(Quelle VersicherungsJournal 12.02.2016)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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