02.05.2016
Streit um Zahlungsaufforderung

Die Leistungsfreiheit eines Versicherers wegen Nichtzahlung der Versicherungsprämie setzt den Nachweis des Zugangs einer entsprechenden Prämienrechnung voraus. Das hat das Oberlandesgericht Stuttgart mit Urteil vom 10. September 2015 entschieden (7 U 78/15).
Nach einer Meldung des Deutschen Anwaltvereins hatte die Klägerin bei dem beklagten Versicherer für ihr Fahrzeug unter anderem eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen.
Aussage gegen Aussage
Kurz nach Vertragsabschluss kam es zu einem Schadenfall. Das nahm der Versicherer nicht nur zum Anlass, vom Vertrag zurückzutreten, sondern der Klägerin auch die Zahlung der Reparaturkosten in Höhe von mehr als 5.500 Euro zu verweigern.
Dabei berief er sich auf § 37 Absatz 1 und 2 VVG. Der Versicherer behauptete nämlich, dass die Klägerin trotz Zustellung des Versicherungsscheins und einer damit verbundenen Zahlungsaufforderung die Erstprämie nicht bezahlt habe.
Die Klägerin bestritt hingegen, die Dokumente erhalten zu haben. Sie zog daher gegen den Versicherer vor Gericht. Mit Erfolg. Nachdem sie in der ersten Instanz eine Niederlage hinnehmen musste, errang sie mit ihrer beim Stuttgarter Landgericht eingelegten Berufung einen Sieg.
Fehlender Beweis
Nach Ansicht des Gerichts hatte der Versicherer weder einen Grund, vom Vertrag zurückzutreten, noch der Klägerin die Leistung zu verweigern. Denn zum Zeitpunkt des Schadenfalls war die Zahlung der Erstprämie noch nicht fällig.
Eine Fälligkeit setze voraus, dass ein Versicherer den Zugang des Versicherungsscheins sowie der Zahlungsaufforderung beweisen könne. Diesen Beweis sei der Versicherer schuldig geblieben.
Er hatte nämlich einräumen müssen, dass das Dokument lediglich mit einfacher Post an die Klägerin übersandt worden war. Das reicht nach Meinung der Richter nicht aus, um den von der Klägerin bestrittenen Empfang zu beweisen. „Es besteht nämlich kein Erfahrungssatz, dass Postsendungen den Empfänger erreichen“, so das Gericht.
Sache des Versicherers
Auch dass die Sendung nach Aussage des Versicherers nicht zurückgekommen war, ist nach Meinung des Gerichts kein ausreichender Beweis für dessen Zustellung. Denn der Versicherer hätte die Möglichkeit gehabt, den Versicherungsschein per Einschreiben mit Rückschein zu übersenden. Davon hatte er aus Kostengründen jedoch keinen Gebrauch gemacht.
Er muss sich daher auch Restzweifel, die an der Version der Klägerin bestanden, zurechnen lassen. Denn es ist nach Ansicht der Richter ausschließlich Sache eines Versicherers, den Zugang des Versicherungsscheins und der Zahlungsaufforderung zu beweisen.
(Quelle VersicherungsJournal 10.02.2016)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
juergenzwilling@auc-zwilling.de ursulazwilling@auc-zwilling.de