Ein erkrankter Reisender, der sich nach einem Behandlungsfehler zur Weiterbehandlung nach Deutschland zurückbringen lässt, hat Anspruch auf Übernahme der Kosten durch seinen Auslandsreise-Krankenversicherer. Das geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 30. Oktober 2015 hervor (20 U 190/13).
Die Klägerin hatte bei dem beklagten Versicherer eine langfristige Auslandsreise-Krankenversicherung abgeschlossen.
Lebensgefahr
Nachdem sie bei einem Aufenthalt in Portugal an gesundheitlichen Beeinträchtigungen litt, wurde sie von einem örtlichen Arzt zunächst mit Antibiotika behandelt. Nach einer erheblichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes wurde sie in eine Klinik in Lissabon verlegt.
Die dort durchgeführten Untersuchungen ergaben unter anderem eine Flüssigkeitsansammlung im Becken mit Anzeichen einer beginnenden Blutvergiftung. Die Klägerin wurde zwar stationär aufgenommen. Ein dringend erforderlicher operativer Eingriff unterblieb jedoch.
Sie ließ sich daher am anderen Morgen nach Deutschland fliegen, wo in einer Klinik im Rahmen einer Notoperation rund zwei Liter Eiter aus ihrem Becken entfernt wurden. Zu diesem Zeitpunkt litt die Klägerin an einer schweren Bauchfellentzündung und schwebte zeitweise in Lebensgefahr.
Fehlende Notwendigkeit?
Die Kosten für den notfallmäßigen Rücktransport nach Deutschland in Höhe von rund 21.500 Euro machte die Klägerin gegenüber ihrem Auslandsreise-Krankenversicherer geltend. Der verweigerte jedoch die Leistungsübernahme.
Der Versicherer behauptete, dass sich die Klägerin ebenso gut in Lissabon hätte operieren lassen können. Sollte dort wegen eines ärztlichen Fehlers keine Operation veranlasst worden sei, so bestehe dafür keine Eintrittspflicht im Rahmen einer Auslandsreise-Krankenversicherung.
Doch dem wollte sich der 20. Zivilsenat des Hammer Oberlandesgerichts nicht anschließen. Es gab der Klage der Versicherten auf Erstattung der Rücktransportkosten in vollem Umfang statt.
Vom Sinn der Versicherungs-Bedingungen
In ihrer Urteilsbegründung erinnerten die Richter den Versicherer daran, dass er bedingungsgemäß dazu verpflichtet ist, die Kosten für einen medizinisch notwendigen Rücktransport aus dem Ausland zu übernehmen.
Angesichts des Gesundheitszustandes der Klägerin sowie dem offenkundigen Unvermögen der Lissaboner Ärzte hegte das Gericht keinen Zweifel daran, dass der sofortige Rücktransport der Klägerin nach Deutschland erforderlich war.
Dabei stelle der Behandlungsfehler der örtlichen Mediziner die Leistungspflicht des Versicherers nicht in Frage. „Denn weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck der Versicherungs-Bedingungen gebieten ein anderes Verständnis“, so das Gericht.
Aus Sicht eines Versicherten mache es nämlich keinen Unterschied, ob eine gebotene Behandlung im Ausland unterbleibt, weil sie dort nicht möglich ist oder ob die dortigen Ärzte nicht willens sind, sie durchzuführen.
(Quelle VersicherungsJournal 16.12.2015)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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