Nach der Versicherungskammer Bayern bieten mit der Allianz, der Axa und der Ergo nun auch die drei größten Haftpflichtversicherer pauschale Sammelverträge für Flüchtlinge an. Notwendig sind die Deckungen, weil die gesetzliche Schadenersatzpflicht auch für Flüchtlinge gilt. Im Vertrieb der Policen gehen die Versicherer defensiv vor und reagieren auf die Nachfrage der Kommunen.
Bislang beispiellos ist die diesjährige Flüchtlingssituation für Europa und die Bundesrepublik. Während nach der Ankunft der Menschen zuallererst ihre Versorgung und Unterbringung im Mittelpunkt stehen, tun sich nach und nach beim alltäglichen Zusammenleben auch versicherungsrelevante Themen auf.
Vorreitermodell Fischbachau
So beschäftigen sich neben dem Versicherungsschutz von Unterkünften immer mehr Versicherer mit der Frage der Haftung, der Flüchtlinge unterliegen. Als einer der ersten Anbieter hat die Versicherungskammer Bayern (VKB) in dieser Angelegenheit reagiert. So wurde im Juli über die bayerische Gemeinde Fischbachau berichtet, welche über die VKB einen Privathaftpflicht-Sammelvertrag für die örtlich untergebrachten Flüchtlinge abgeschlossen hat.
Bei einem solchen Sammelvertrag muss die Kommune als Versicherungsnehmer auftreten. Stichtagsbezogen, aber ohne konkrete Namensnennung meldet sie die Anzahl der untergebrachten Flüchtlinge dem Versicherer. Beim Abschluss der Verträge wird in der Regel keine Provision fällig, was sich mindernd auf die Prämie auswirkt.
„Der Jahresbeitrag pro Person liegt bei uns bei 35 Euro für volljährige Asylbewerber beziehungsweise Flüchtlinge. Minderjährige Familienmitglieder sind beitragsfrei mitversichert, für unbegleitete Jugendliche bieten wir den Kommunen ebenfalls ein spezielles Produkt an“, so Stefan Liebl, Leiter der externen Unternehmens-Kommunikation bei der VKB.
Vor dem Gesetz sind alle gleich
Aus juristischer Sicht ist eine private Haftpflichtversicherung für Flüchtlinge, unabhängig von ihrem genauen Status, genauso sinnvoll, wie für einen deutschen Bundesbürger. „Beim Schadenersatzanspruch, beispielsweise gemäß § 823 I BGB, wird nicht nach Nationalität unterschieden“, erklärt der in Nürnberg ansässige Rechtsanwalt Sebastian Walter auf Anfrage dem VersicherungsJournal.
Die Kommunen sind nicht verpflichtet, für solche Ersatzansprüche aufzukommen. „Daher dient der Abschluss der Privathaftpflicht im vorliegenden Fall auch dem Schutz des Gläubigers, da in der Regel davon auszugehen sein wird, dass der in Deutschland ankommende Flüchtling leider mittellos ist“, so Walter weiter.
Haftpflichtschutz für rund fünf Euro
Mehr und mehr Versicherer folgen dem Vorbild der VKB. Seit dem 1. November 2015 bietet Deutschlands größter Haftpflichtversicherer (VersicherungsJournal 10.3.2015), die Allianz Versicherungs-AG, ebenfalls provisionsfreie Gruppenverträge für die Kommunen an.
„Unter anderem abhängig von der geographischen Lage der Unterkunft kostet unsere Haftpflichtversicherung zwischen drei und fünf Euro pro Person und Monat“, sagt Châu Báu Tang-Rupp, zentrale Ansprechpartnerin zum Flüchtlingsthema bei der Allianz.
Wer Flüchtlinge bei sich zuhause aufnimmt, kann diese zudem beitragsfrei in die Familien- Haftpflichtversicherung mit einschließen. Dazu muss der Flüchtling der Allianz namentlich gemeldet werden. „Da die Person dann als weiteres Familienmitglied gilt, haften wir nicht für Schäden, die am Eigentum der Gastgeber entstehen“, ergänzt Tang-Rupp.
Auch zwei weitere große Haftpflichtversicherer haben ihr Portfolio um die pauschalen Sammelverträge erweitert: Seit Oktober versichert die Ergo Versicherung AG gemeldete Einzelpersonen für rund vier Euro und Familien für 5,40 Euro zuzüglich Versicherungsteuer. Sammelverträge bietet auch die Axa Versicherung AG an, allerdings unter Anwendung des üblichen Beitrags- und Provisionsmodells.
Vorsichtiger Vertrieb erzeugt nur bedingten Bedarf
Beim Vertrieb der Haftpflichtpolicen gehen die Versicherer allesamt defensiv vor, wie das VersicherungsJournal auf Nachfrage erfuhr. „Die Kommunen seien über das Angebot informiert und fragen bei Bedarf direkt bei den Vertretern der Gesellschaften an, so die einheitliche Aussage. Über die Funktion einer Haftpflichtversicherung werden die Flüchtlinge direkt von den Kommunen aufgeklärt.
Alle befragten Versicherungs-Unternehmen unterstrichen in ihrer Darstellung gegenüber dem VersicherungsJournal den sozialen Charakter ihrer angebotenen Sammelverträge. Wie das Vorreitermodell in Fischbachau zeigt, ist vonseiten der Kommunen durchaus Nachfrage da. Doch obwohl in Bayern einem Medienbericht zufolge die meisten Flüchtlinge aufgenommen werden, scheint das Thema auch dort noch nicht allseits präsent zu sein.
„Wir haben von den pauschalen Haftpflicht-Versicherungen für Flüchtlinge gehört, sehen derzeit aber noch keinen Bedarf“, teilten Vertreter der Ämter für Soziales, Wohnen und Seniorenangelegenheiten der Städte Nürnberg und Fürth dem VersicherungsJournal mit. In den Einrichtungen der beiden bayerischen Großstädte sind zusammen momentan rund 10.000 Flüchtlinge untergebracht.
(Quelle VersicherungsJournal 01.12.2015)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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