26.10.2015
Rechtsstreit um vorvertragliche Anzeigepflicht-Verletzung

Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an, ob ein privater Krankenversicherer einem Versicherten wegen einer Anzeigepflicht-Verletzung den Versicherungsschutz versagen und vom Vertrag zurücktreten darf. Das geht aus einem Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 2. März 2015 hervor (9 U 14/14).
Der Kläger hatte bei dem beklagten Versicherer im April 2008 eine private Krankheitskosten-Versicherung für ambulante und stationäre Behandlungen abgeschlossen.
Bei Antragstellung wurde er unter anderem danach gefragt, ob er in den letzten drei Jahren oder derzeit unter Krankheiten, Beschwerden oder Unfallfolgen leide. Dabei hatte der Kläger lediglich auf Hämorrhoiden-Knoten sowie auf zwei fehlende Zähne hingewiesen.
Chronische Darmerkrankung
Knapp ein Jahr nach Abschluss des Vertrages wurde der Kläger wegen Magen-Darm-Beschwerden in ein Krankenhaus eingeliefert und noch am selben Tag notfallmäßig operiert. Dabei wurde die chronische Darmerkrankung Morbus Crohn festgestellt.
Bei Überprüfung des Falls kam der Versicherer zu dem Ergebnis, dass dem Kläger bereits dreieinhalb Jahre vor Vertragsbeginn durch seinen Hausarzt die Verdachtsdiagnose Morbus Crohn mitgeteilt worden war. Das nahm der Versicherer zum Anlass, dem Versicherten wegen vorsätzlicher Anzeigepflicht-Verletzung den Versicherungsschutz zu versagen und vom Vertrag zurückzutreten.
In seiner daraufhin gegen den Versicherer eingereichten Klage räumte der Versicherte zwar ein, gut dreieinhalb Jahre vor Abschluss des Vertrages wegen Durchfall und Gewichtsverlust behandelt worden zu sein. Die Beschwerden seien nach Behandlungsende jedoch vollständig verschwunden. Sein Arzt habe ihm in diesem Zusammenhang gesagt, dass er noch einmal Glück gehabt habe.
Diese Äußerung habe er wegen der wiederhergestellten vollständigen Beschwerdefreiheit dahingehend verstanden, dass sich der Verdacht einer chronischen Erkrankung nicht bestätigt habe. Es habe sich daher nicht dazu veranlasst gesehen, die Erkrankung bei den Gesundheitsfragen zu erwähnen, zumal die Behandlung länger als die abgefragten drei Jahre zurück lag.
Sache des Versicherers
Diese Argumentation fanden sowohl die Richter des in erster Instanz angerufenen Landgerichts als auch die des in Berufung mit dem Fall befassten Oberlandesgerichts überzeugend. Sie gaben der Klage des Versicherten auf Zahlung der Krankenhauskosten in Höhe von rund 9.100 Euro statt.
Beide Instanzen stellten außerdem fest, dass der Krankenversicherer dem Kläger den ihm aufgrund der Rücktrittserklärung entstandenen Schaden zu ersetzen habe. Denn der Versicherer sei weder zum Rücktritt von dem Vertrag noch zu dessen Kündigung berechtigt gewesen.
Das Karlsruher Oberlandesgericht stellte zwar nicht in Abrede, dass die Verdachtsdiagnose Morbus Crohn dreieinhalb Jahre vor Antragstellung grundsätzlich einen anzeigepflichtigen Gefahrumstand im Sinne des Versicherungsvertrags-Gesetzes dargestellt hat. Denn bei Morbus Crohn handele es sich um eine chronische Erkrankung, die auch, obwohl der Versicherungsnehmer seit mehr als drei Jahren ohne Beschwerden blieb, weiter bestanden hat.
Die Anzeigepflicht setze aber voraus, dass der Kläger zum Zeitpunkt seiner Vertragserklärung wusste, dass in der Vergangenheit die Verdachtsdiagnose Morbus Crohn gestellt wurde, und dass der Verdacht nicht ausgeräumt wurde. Die Beweislast für diese Kenntnis obliege jedoch dem Versicherer.
Kein Beweis der Kenntnis
Allein aus dem Umstand, dass der behandelnde Arzt dem Kläger dreieinhalb Jahre vor Vertragsabschluss die Verdachtsdiagnose Morbus Crohn mitgeteilt haben könnte, ergibt sich nach Ansicht der Richter noch nicht zwingend eine Kenntnis von einem Fortbestand der Erkrankung. Denn es liege nahe, dass ein Patient in einer derartigen Situation Beschwerdefreiheit mit Gesundheit assoziiere, so das Gericht.
In der Begründung des Beschlusses heißt es dazu: „Es erscheint plausibel, dass die Beschwerdefreiheit für einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren aus der Perspektive des Klägers ein weiteres Indiz dafür war, dass die ursprüngliche Verdachtsdiagnose einer chronischen Erkrankung durch die Heilung von seinen Beschwerden im November 2004 ausgeräumt war.“
Der Beschluss des Karlsruher Oberlandesgerichts steht im Wortlaut auf den Internetseiten der Justiz Baden-Württemberg zur Verfügung.
(Quelle VersicherungsJournal 31.07.2015)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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