Ein wartepflichtiger Verkehrsteilnehmer, der in eine Hauptstraße einbiegen will, darf sich nicht blind darauf verlassen, dass ein Vorfahrtsberechtigter, der den rechten Blinker seines Fahrzeugs betätigt hat, auch tatsächlich abbiegen wird. Das geht aus einem Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 24. April 2014 hervor (Az.: 7 U 1501/13).
Der Kläger wollte mit seinem Personenkraftwagen auf eine Hauptstraße abbiegen, als sich auf dieser von links das Fahrzeug des Beklagten näherte.
Doch obwohl dessen Fahrer den rechten Blinker betätigt hatte, fuhr er weiter geradeaus. Dadurch kam es zu einer Kollision der Fahrzeuge. Denn im Vertrauen darauf, dass der Beklagte tatsächlich abbiegen werde, war der Kläger in die Vorfahrtsstraße eingebogen.
Kein blindes Vertrauen
In dem sich anschließenden Rechtsstreit warfen sich die Unfallbeteiligten gegenseitig vor, weit überwiegend für die Kollision verantwortlich zu sein. Doch dem schlossen sich die Richter des Dresdener Oberlandesgerichts ebenso wenig an, wie ihre Kollegen der Vorinstanz.
Das Oberlandesgericht bestätigte die Entscheidung des Landgerichts, dass ganz überwiegend der Kläger den Unfall verschuldet hat.
Nach Ansicht der Richter begründet nämlich allen das Setzen des rechten Blinkers noch kein Vertrauen darauf, dass der Blinkende auch tatsächlich abbiegen wird. „Erforderlich ist vielmehr eine erkennbare, deutliche Geschwindigkeits-Reduzierung des Vorfahrtberechtigten, eine sichtbare Orientierung des Blinkenden nach rechts oder sonstige ausreichende Anzeichen für ein tatsächlich bevorstehendes Abbiegen des Vorfahrtberechtigten“, so das Gericht.
Mit anderen Worten: Ein Wartepflichtiger darf niemals blindlings auf das Abbiegen eines Blinkenden Vorfahrtsberechtigten vertrauen.
Eine Frage des Beweises
Dass in dem entschiedenen Fall der Vorfahrtsberechtigte mit einer so geringen Geschwindigkeit gefahren ist, dass ein Schluss auf ein Abbiegemanöver gerechtfertigt gewesen wäre, konnte der Kläger nicht beweisen.
Nach Meinung der Richter ist es aber Sache des Wartepflichtigen, diejenigen Umstände darzulegen und zu beweisen, die dafür sprechen, dass er auf ein Abbiegen und den damit verbundenen Vorfahrtverzicht vertrauen durfte.
Gleichwohl hat der Beklagte den Unfall nach Meinung beider Instanzen durch das versehentliche Betätigen des Blinkers mitverschuldet. Da aber der Vorfahrtsverstoß des Klägers schwerer wiegt als das Fehlverhalten des Beklagten, hielten die Richter eine Haftungsverteilung von 70 zu 30 Prozent zulasten des Klägers für gerechtfertigt.
Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.
(Quelle VersicherungsJournal 16.06.2014)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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