11.08.2014
Wenn ein Erfrischungstuch zum Horror wird

Weist eine Flugpassagierin das Bordpersonal darauf hin, dass sie auf eine bestimmte Form von Erfrischungstüchern allergisch reagiert, so ist die Fluggesellschaft zur Zahlung von Schmerzensgeld verpflichtet, wenn es die Tücher trotzdem verteilt. Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt mit Urteil vom 16. April 2014 entschieden (Az.: 16 U 170/13).
Die Klägerin reiste im Oktober 2010 mit einem Großraumflugzeug der Beklagten von Indien nach Deutschland, als während des Fluges dampfende Erfrischungstücher (sogenannte Saunatücher) ausgeteilt wurden.
Notarzteinsatz
Durch die Inhaltsstoffe wurde bei der Klägerin eine schwere allergische Reaktion mit Atemnot ausgelöst, die nach der Landung eine Behandlung durch einen Notarzt erforderlich machte.
Mit der Begründung, dass sie ein Crewmitglied vor Austeilung der Tücher darauf hingewiesen habe, dass es für eine allergische Reaktion ausreiche, wenn in ihrer näheren Umgebung derartige Tücher verwendet werden, verklagte die Frau die Fluggesellschaft auf Zahlung eines Schmerzensgeldes.
Mit Erfolg. Der Klage wurde sowohl vom Frankfurter Landgericht als auch vom von der Fluggesellschaft in Berufung angerufenen Oberlandesgericht der Stadt am Main stattgegeben.
Kein allgemeines Lebensrisiko
Nach Überzeugung der Richter steht der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes zu. Denn die allergische Reaktion wurde durch eine typische, dem Luftverkehr innewohnende Gefahr ausgelöst.
Anders als die Fluggesellschaft gingen die Richter auch nicht davon aus, dass die Klägerin Opfer eines allgemeinen und somit hinzunehmenden Lebensrisikos geworden ist.
Denn weil die Klägerin auf die Gefahr, die für sie durch die Verteilung derartiger Tücher ausgeht, hingewiesen hat, hätte deren Austeilung entweder unterlassen werden müssen. Oder man hätte die Klägerin so in dem Flugzeug separieren müssen, dass für sie keine Gefahr von den Düften ausging.
„Selbst wenn nicht alle Crewmitglieder über die gesundheitliche Disposition der Klägerin orientiert gewesen sein sollten, liegt dies außerhalb ihres allgemeinen Lebensrisikos und stellt eine Pflichtverletzung der Beklagten dar, die auch in einem Großraumflugzeug die Fürsorge gegenüber einzelnen Passagieren, auf deren besondere Situation sie aufmerksam gemacht worden ist, nicht vernachlässigen darf“, so das Gericht.
Mitverschulden
Anders als die Vorinstanz war das Frankfurter Oberlandesgericht jedoch der Meinung, dass sich die Klägerin ein Mitverschulden anrechnen lassen muss.
Denn spätestens in jenem Moment, in welchem die Verteilung der Tücher begann, hätte sie sich ihrem Schicksal nicht einfach ergeben dürfen. Die Klägerin hätte vielmehr mit Nachdruck erneut auf ihre Situation aufmerksam machen müssen.
Den Mitverschuldensanteil bewerteten die Richter mit 25 Prozent, so dass der Klägerin letztlich ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 Euro zugesprochen wurde.
(Quelle VersicherungsJournal 12.05.2014)

Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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