21.07.2014
Wenn ein Fahrzeugschein samt Auto verschwindet

Ein Kraftfahrzeug-Kaskoversicherer kann sich nach dem Diebstahl eines Autos nicht auf eine Gefahrerhöhung berufen, wenn der Versicherte den Fahrzeugschein im Handschuhfach seines fahrbaren Untersatzes aufbewahrt hat. Das geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 3. Juli 2013 hervor (Az.: 20 U 226/12).
Der Kläger hatte bei dem beklagten Versicherer für seinen Personenkraftwagen eine Teilkaskoversicherung abgeschlossen. Nachdem das Fahrzeug gestohlen worden war, stellte sich heraus, dass er den Fahrzeugschein schon immer im Handschuhfach des Autos aufbewahrt hatte.
Darin sah der Versicherer eine Gefahrerhöhung. Er weigerte sich daher, den Schaden zu regulieren. Denn schließlich werde Dieben mithilfe der Zulassungsbescheinigung das Veräußern eines gestohlenen Fahrzeugs erleichtert. Ein im Auto zurückgelassener Fahrzeugschein könne einen Dieb außerdem zur Entwendung des Fahrzeugs motivieren.
Keine Gefahrerhöhung
Doch dem wollten sich die Richter des Hammer Oberlandesgerichts nicht anschließen. Sie gaben der Klage des Versicherten auf Ersatz des ihm durch den Diebstahl entstandenen Schaden statt. Nach Ansicht des Gerichts stellt die Aufbewahrung der Fahrzeugpapiere in einem versicherten Fahrzeug nämlich keine Gefahrerhöhung im Sinne von § 23 Absatz 1 VVG dar.
Die Richter stimmten zwar mit dem Versicherer darin überein, dass dem Dieb die Veräußerung eines gestohlenen Fahrzeugs erleichtert wird, wenn er im Besitz des Fahrzeugscheins gelangt. Nach der Lebenserfahrung sei aber nicht davon auszugehen, dass das Zurücklassen eines von außen nicht sichtbaren Fahrzeugscheins in einem Auto einen zur Totalentwendung noch nicht entschlossenen Täter dazu motiviert, den Wagen zu stehlen.
„Denn kommt es dem Täter von vornherein nur darauf an, einzelne Gegenstände aus dem Fahrzeuginneren zu entwenden, so hat er typischerweise noch keine Vorsorge für das Wegschaffen beziehungsweise gegebenenfalls die Verwertung des Fahrzeugs geschaffen, so dass die spontane Entwendung des kompletten Fahrzeugs für ihn ein erhebliches Risiko mit sich brächte, welches erfahrungsgemäß nicht eingegangen wird“, so das Gericht.
Das Zurücklassen eines Fahrzeugscheins ist im Falle eines spontanen Fahrzeugdiebstahls folglich nur als unwesentliche, vom Versicherungsschutz von vornherein umfasste Risikoerhöhung anzusehen. Der Klage wurde daher in vollem Umfang stattgegeben.
Unterschiedliche Meinungen
Das Oberlandesgericht Oldenburg war in einem ähnlichen Fall im Juli 2010 zu einem vergleichbaren Urteil gelangt. Die Richter kamen seinerzeit zu dem Ergebnis, dass es für einen vorher gefassten Diebstahlentschluss nicht ursächlich ist, wenn sich für den Täter nicht sichtbar die Zulassungsbescheinigung im Fahrzeug befindet (VersicherungsJournal 25.10.2010).
Ganz anderer Meinung ist hingegen das Oberlandesgericht Celle. In einem Urteil vom 9. August 2007 heißt es: „Das dauerhafte Verwahren des Kfz-Scheins im Handschuhfach oder überhaupt im Pkw stellt eine Änderung der Gefahrenlage dar, die sich nicht mehr innerhalb der Bandbreite des vom Versicherer mit Vertragsabschluss übernommenen Durchschnittsrisikos hält.
Es ist dem Versicherer nicht zuzumuten, dass dieses Risiko von vornherein als in die Kfz-Kaskoversicherung einkalkuliert betrachtet wird“ (VersicherungsJournal 24.8.2007).
(Quelle VersicherungsJournal 30.04.2014)

Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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