14.07.2014
Milde für Raser

Ein Verkehrsteilnehmer, der ein anderes Fahrzeug überholt und dabei deutlich zu schnell fährt, trifft nur dann ein Mitverschulden an einer Kollision mit einem von einem Grundstück kommenden Auto, wenn der Unfall beim Einhalten der zulässigen Geschwindigkeit vermeidbar gewesen wäre. Das hat das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 4. Februar 2014 entschieden (Az.: 9 U 149/13).
Der Kläger war innerhalb einer geschlossenen Ortschaft mit seinem Motorrad unterwegs, als er sich dazu entschloss, ein vor ihm fahrendes Fahrzeug zu überholen.
Mitverschulden?
Nachdem der Motorradfahrer das Überholmanöver bereits eingeleitet hatte, bog der Beklagte mit seinem Fahrzeug, von dem Parkplatz eines Lebensmittelmarkts kommend, nach rechts auf die von dem Kläger befahrene Straße ein. Bei der sich anschließenden Kollision wurde der Kläger schwer verletzt. Sein Motorrad erlitt einen Totalschaden.
Der Beklagte bestritt zwar nicht, für den Unfall mitverantwortlich zu sein. Er lastete dem Kläger jedoch ein erhebliches Mitverschulden an. Denn dieser hatte die an dem Unfallort erlaubte Höchstgeschwindigkeit während seines Überholmanövers nachweislich deutlich überschritten. Er habe daher gegen das sogenannte „faktische Überholverbot“ verstoßen.
Doch dem wollten sich die Richter des Hammer Oberlandesgerichts nicht anschließen. Sie gaben der Schadenersatz- und Schmerzensgeldklage des Motorradfahrers in vollem Umfang statt.
Verstoß gegen Straßenverkehrsordnung
Nach Ansicht des Gerichts hat der Beklagte gegen die strengen Anforderungen von § 10 StVO verstoßen. Danach hat sich ein Verkehrsteilnehmer beim Ausfahren von einem Grundstück so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Er hat sich erforderlichenfalls einweisen zu lassen.
Den Kläger trifft auch kein Mitverschulden. Denn nach den Feststellungen eines Sachverständigen wäre es zu dem Unfall auch dann gekommen, wenn er bei dem Überholmanöver nicht zu schnell gefahren wäre.
Dem Kläger ist zwar ein Geschwindigkeits-Verstoß anzulasten. Der begründet nach Meinung der Richter jedoch kein gesetzliches Überholverbot. Auch die Regeln des sogenannten faktischen Überholverbots sind nach ihrer Überzeugung nicht auf den entschiedenen Fall anzuwenden.
Denn selbst ein gesetzliches Überholverbot schützt nur den nachfolgenden und den Gegenverkehr, nicht jedoch einen von einem Parkplatz einfahrenden Verkehrsteilnehmer. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.
(Quelle VersicherungsJournal 22.04.2014)

Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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