16.09.2013
Wie eine Bordkarte zum Versicherungsfall werden kann

Hat ein Inhaber einer Reiserücktrittskosten-Versicherung von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Bordkarte für einen Flug an seinem Computer auszudrucken, so stellt das versicherungsrechtlich nicht den Antritt der Reise dar. Das hat das Amtsgericht Bremen mit Urteil vom 4. Juli 2013 entschieden (Az.: 10 C 508/12).
Der Kläger hatte für sich und seine Ehefrau eine Flugreise gebucht und gleichzeitig eine Reiserücktrittkosten-Versicherung abgeschlossen. Die Reise sollte Mitte Juni stattfinden.
Kurzfristige Erkrankung
Am 25. Mai wurde bei der Ehefrau des Klägers eine Erkrankung diagnostiziert, die es ihr unmöglich machte, die Reise anzutreten.
Darüber informierte der Kläger den Reiserücktrittskosten-Versicherer noch am selben Tag. Er bat gleichzeitig darum, ihm die anfallenden Stornokosten zu ersetzen.
Nach Prüfung der Sache weigerte sich der Versicherer jedoch, zu zahlen. Er hatte nämlich festgestellt, dass der Kläger die Bordkarten für den Flug bereits vor der Erkrankung seiner Frau am eigenen Computer ausgedruckt hatte. Das aber stelle versicherungsrechtlich den Antritt der Reise dar, so dass bedingungsgemäß keine Leistungsverpflichtung bestehe.
Doch dem wollte das von dem Versicherten angerufene Bremer Amtsgericht nicht folgen. Es gab seiner Klage gegen den Versicherer statt.
Untergeordneter Nebenaspekt
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war der Kläger dazu verpflichtet, die Bordkarten via Internet am eigenen Computer auszudrucken. Das durfte auch lange vor dem Flug geschehen. Von dieser Möglichkeit hat der Kläger Gebrauch gemacht.
Allein die technische Möglichkeit und die daraus resultierende Verpflichtung zum Ausdruck der Bordkarten über den eigenen Rechner verschieben nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht den Zeitpunkt des Reiseantritts.
„Denn abgesehen davon, dass es vom Zufall beziehungsweise von der jeweiligen persönlichen Reisevorbereitung abhängt, wie viele Tage oder Wochen vor geplanter Abreise der Ausdruck erfolgt, ist der Erhalt der Bordkarten lediglich ein untergeordneter Nebenaspekt im Rahmen des Eincheckens bei einer Flugreise.“
Lebensfremd
Als eigentlicher Reiseantritt im Sinne der Versicherungs-Bedingungen einer Reiserücktrittskosten-Versicherung ist nach Auffassung des Gerichts der Zeitpunkt anzusehen, an dem sich der Reisende am Flughafen einfindet und der Fluggesellschaft seine Anwesenheit und Flugbereitschaft durch Übergabe des Reisegepäcks sowie Entgegennahme der Bordkarte oder Vorlage der selbst ausgedruckten Bordkarte anzeigt.
Denn erst dadurch wird ein Prozess in Gang gesetzt, der bei planmäßigem Verlauf unmittelbar in den Abflug mit der gebuchten Maschine zum geplanten Ziel mündet.
Die Argumentation des Versicherers bezeichnete das Gericht als lebensfremd. Seine Auslegung der Versicherungs-Bedingungen widerspreche nämlich dem Sinn und Zweck der von ihm angebotenen Versicherung.
Denn würde man sich der Meinung des Versicherers anschließen, so wäre der kostenintensive Stornozeitraum kurz vor einer geplanten Abreise aufgrund der Verpflichtung beziehungsweise der Möglichkeit zum Selbstausdruck der Bordkarten am eigenen Computer vom Versicherungsschutz ausgenommen. Der Abschluss einer derartigen Versicherung wäre daher in Fällen wie denen des Klägers weitgehend unsinnig.
(Quelle VersicherungsJournal 22.07.2013)

Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
juergenzwilling@auc-zwilling.de ursulazwilling@auc-zwilling.de