02.09.2013
Führerscheinentzug: Was heißt eigentlich „vorläufig“?

Sind zwischen einem behaupteten Verkehrsverstoß und der Anordnung, dem Beschuldigten vorläufig die Fahrerlaubnis zu entziehen, mehrere Monate vergangen, so darf der Autofahrer seinen Führerschein in der Regel auf jeden Fall bis zur Hauptverhandlung behalten. Das geht aus einem Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 13. März 2013 hervor (Az.: 18 Qs 14/13).
Einem Autofahrer war vorgeworfen worden, Anfang Mai 2012 einen anderen Verkehrsteilnehmer auf einer Autobahn überholt zu haben, indem er auf dem Standstreifen an ihm vorbeifuhr. Gegen ihn war daher ein Ermittlungsverfahren wegen vorsätzlicher Straßenverkehrs-Gefährdung durch falsches Überholen eingeleitet worden.
Unangemessene Maßnahme?
In seiner mehr als einen Monat nach dem behaupteten Verkehrsverstoß durch die Polizei durchgeführten Vernehmung bestritt der Beschuldigte den Vorwurf. Daraufhin passierte zunächst einmal gar nichts.
Denn erst Ende September leitete die Polizei die Anzeige an die Staatsanwaltschaft weiter, ohne zuvor weitere Ermittlungen durchgeführt zu haben. Einen Monat später erließ die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl. Sie beantragte bei Gericht gleichzeitig, dem Beschuldigten bis zu einer möglichen Hauptverhandlung die Fahrerlaubnis zu entziehen, falls er gegen den Strafbefehl Einspruch einlegen sollte.
Als ihm nach seinem Einspruch tatsächlich die Fahrerlaubnis entzogen werden sollte, platzte dem Beschuldigten der Kragen. Denn es stellte sich heraus, dass die Hauptverhandlung wegen der Terminschwierigkeiten eines wichtigen Zeugen erst für Mitte 2013 vorgesehen war. Der Kläger hielt es daher für unangemessen, ihm für so lange Zeit vorläufig die Fahrerlaubnis zu entziehen.
Anspruch auf schnellstmögliche Klärung
Zu Recht, urteilte das Stuttgarter Landgericht. Es gab der Beschwerde des Klägers gegen den Fahrerlaubnisentzug statt. Nach Ansicht des Gerichts spricht nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft zwar einiges dafür, dass dem Beschuldigten in der Hauptverhandlung tatsächlich die Fahrerlaubnis entzogen werden wird.
Angesichts des zögerlichen und somit sachwidrigen Verhaltens der Ermittlungsbehörden hielten es die Richter jedoch für unangemessen und unverhältnismäßig, dem Beschuldigen vor der Hauptverhandlung das Führen von Kraftfahrzeugen zu verbieten.
„Denn die Belastung aus einem Eingriff in einen grundrechtlich geschützten Bereich muss in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenen Vorteilen stehen“, so das Gericht.
Ein Beschuldigter hat nämlich einen Anspruch darauf, dass die gegen ihn erhobenen Vorwürfe schnellstmöglich geklärt werden. Davon konnte in dem zu entscheidenden Fall jedoch nicht ausgegangen werden.
(Quelle VersicherungsJournal 09.07.2013)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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