19.08.2013
Streit um Haftung nach tödlichem Fahrradunfall

Kommt es zu einem Auffahrunfall zwischen zwei Fahrradfahrern, weil der Vorausfahrende wegen eines unachtsamen Fußgängers stark bremst, so kann der Fußgänger unter Umständen zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt aber nur dann, wenn der Auffahrende keine Möglichkeit hatte, rechtzeitig anzuhalten oder auszuweichen. Das geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 24. Oktober 2012 hervor (Az.: 5 U 583/12).
Nach einem Bericht der HUK-Coburg lag der Entscheidung der tragische Tod eines Fahrradfahrers zugrunde. Dieser war hinter einem anderen Radfahrer hergefahren, als der Vorausfahrende wegen einer unachtsam die Fahrbahn betretenden Fußgängerin stark bremste.
Bei dem anschließenden Auffahrunfall kam der Fahrradfahrer zu Fall. Weil er keinen Helm getragen hatte, zog er sich schwerste Kopfverletzungen zu, an denen er einige Zeit später verstarb.
Nicht verantwortlich?
Die Tochter des Verstorbenen verklagte die Fußgängerin auf Zahlung ererbten Schmerzensgeldes sowie die Erstattung der Beisetzungskosten. Dabei räumte sie ein Mitverschulden ihres Vaters an dem Unfall von 50 Prozent ein.
Die Fußgängerin fühlte sich für den Unfall jedoch nicht verantwortlich. Die Vollbremsung des vorausfahrenden Fahrradfahrers sei nämlich nicht nötig gewesen. Denn schließlich habe sie die 4,50 Meter breite Fahrbahn nur einen Schritt weit betreten und sei sofort zurückgewichen, als sie die von rechts kommenden Fahrradfahrer wahrgenommen habe.
Zu dem Unfall sei es nur deswegen gekommen, weil der Verstorbene nicht ausreichend auf das Verkehrsgeschehen geachtet beziehungsweise falsch reagiert habe.
Dem schlossen sich die Richter des Koblenzer Oberlandesgerichts an. Sie wiesen die Klage als unbegründet zurück.
Vermeidbarer Unfall
Das Gericht räumte zwar ein, dass sich auch die Beklagte falsch verhalten hatte. Ihr Fehlverhalten tritt jedoch nach Ansicht der Richter weitestgehend hinter dem weit überwiegenden Verschulden des Verstorbenen zurück.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand die Beklagte zum Zeitpunkt des Unfalls entgegen ihren Angaben zwar auf der Fahrbahn. Der auf der rechten Fahrbahnhälfte mit einer mäßigen Geschwindigkeit von etwa 14 km/h fahrende Verstorbene hätte sie jedoch problemlos wahrnehmen und links an ihr vorbeifahren können.
„Mit einer derartigen Reaktion wäre bei jedem Fahrradfahrer zu rechnen gewesen, der das Verkehrsgeschehen in seinem Blickfeld mit der gebotenen Sorgfalt beobachtete. Das beschriebene Fahrmanöver hätte auch ohne jedwede Bremsreaktion den Unfall sicher vermieden“, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung.
Nicht aufgepasst
Dass der Verstorbene gleichwohl auf das am rechten Fahrbahnrand zum Stillstand gekommene Fahrrad des Vorausfahrenden auffuhr, konnten sich die Richter nur mit einem unzureichenden Sicherheitsabstand, fehlender Aufmerksamkeit, einer verspäteten beziehungsweise unangemessenen Reaktion oder mit einer Kombination aus diesen Möglichkeiten erklären.
Nach Meinung des Gerichts kommt erschwerend hinzu, dass der Vorausfahrende Radler die Beklagte durch Klingeln und Rufen auf sich aufmerksam gemacht hatte. Das aber hätte bei gebotener Aufmerksamkeit auch der Verstorbene wahrnehmen können und müssen, so das Gericht.
Angesichts dieses Unfallhergangs kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Verursachensanteil der Beklagten dermaßen gering wiegt, dass er gegenüber dem Verschulden des Verstorbenen völlig zurücktritt. Die Klägerin geht daher leer aus.
Das Gericht sah keine Veranlassung, eine Revision zum Bundesgerichtshof zuzulassen.
(VersicherungsJournal 24.06.2013)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
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