Wird von dem Personal eines Pflegeheims heißer Tee in Thermoskannen unbeaufsichtigt in einem Raum mit pflegebedürftigen Heimbewohnern zurückgelassen, so haftet der Heimbetreiber, wenn eine im Rollstuhl sitzende pflegebedürftige Heimbewohnerin mit dem Tee verbrüht wird. Das hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht mit einem am vergangenen Donnerstag veröffentlichten Urteil vom 31. Mai 2013 entschieden (Az.: 4 U 85/12).
Der Entscheidung lag der Fall einer 73-jährigen Bewohnerin eines Pflegeheims zugrunde, die sich mit heißem Tee verbrüht hatte. Die Frau war beim Essen und Trinken auf Hilfe angewiesen und konnte sich nur in einem Rollstuhl fortbewegen.
Erhebliche Verbrühungen
Am Tag ihres Unfalls wurde sie nach dem Mittagessen zusammen mit anderen, unter anderem demenzkranken Heimbewohnern unbeaufsichtigt in einem Aufenthaltsraum zurückgelassen. Auf einer Fensterbank dieses Raums standen Thermoskannen, welche das Pflegepersonal zuvor mit heißem Tee befüllt hatte.
Aus nicht mehr feststellbaren Gründen wurde die 73-Jährige mit diesem Tee verbrüht. Sie zog sich erhebliche Verbrennungen an den Oberschenkeln zu und musste mehr als einen Monat in einem Krankenhaus behandelt werden.
Die Verletzte selbst machte wegen des Zwischenfalls gegenüber der Pflegeeinrichtung zwar keine Ansprüche geltend. Ihre Krankenkasse war jedoch weniger bescheiden. Sie forderte von dem Pflegeheim die Behandlungskosten in Höhe von mehr als 85.000 Euro zurück.
Zu Recht, urteilten die Richter des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts. Sie gaben der Klage der Krankenkasse in vollem Umfang statt.
Pflichtverletzung
Die Richter waren anders als die Heimleitung der Meinung, dass der Unfall auf eine Pflichtverletzung des Pflegepersonals zurückzuführen ist. Denn dieses hätte die pflegebedürftigen Heimbewohner nicht unbeaufsichtigt in einem Raum zurücklassen dürfen, auf dessen Fensterbank Thermoskannen mit heißen Getränken standen. Das galt umso mehr, als dass sich auch Demenzkranke in dem Raum aufhielten.
Für das Pflegepersonal hätte es nach Überzeugung des Gerichts vorhersehbar sein müssen, dass andere, nicht auf einen Rollstuhl angewiesene Heiminsassen versuchen würden, die Verletzte mit Tee zu versorgen. Das Personal musste angesichts des Gesundheitszustandes der Heiminsassen daher damit rechnen, dass dabei möglicherweise heißer Tee mit der Folge von Verbrühungen verschüttet wird.
Die Pfleger hätten den Raum folglich entweder nicht verlassen dürfen oder aber die Thermoskannen mitnehmen müssen. Beides ist nicht geschehen. Das Pflegeheim beziehungsweise sein Haftpflichtversicherer hat daher die von der klagenden Krankenkasse aufgewandten Behandlungskosten zu ersetzen.
(Quelle VersicherungsJounral 10.06.2013)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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