Wer bei einem Verkehrsunfall eine Halswirbelsäulen-Verletzung erleidet, darf grundsätzlich auf Kosten des Unfallverursachers einen Anwalt mit der Geltendmachung seiner Ansprüche beauftragen. Das gilt auch für Geschädigte, die selber als Rechtsanwalt tätig sind, so das Amtsgericht Hamburg in einem Urteil vom 19. September 2012 (Az.: 51a C 63/12).
Geklagt hatte ein Rechtsanwalt, der mit seinem Pkw unverschuldet in einen Auffahrunfall verwickelt worden war. Bei dem Zwischenfall zog er sich eine Halswirbelsäulen-Verletzung zu.
Verstoß gegen die Schadenminderungs-Pflicht?
Obwohl von Anfang an fest stand, dass der Unfallgegner des Klägers allein für den Unfall verantwortlich war, beauftragte er einen Fachanwalt für Verkehrsrecht mit der Durchsetzung seiner Ansprüche gegenüber dem gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherer.
Der sah in der Beauftragung des Anwalts einen Verstoß gegen die Schadenminderungs-Pflicht gemäß § 254 Absatz 2 BGB. Der Versicherer weigerte sich daher, dessen Kosten zu übernehmen.
Zu Unrecht, meinte das Hamburger Amtsgericht. Es gab der Klage des Geschädigten auf Erstattung der von dem Fachanwalt für Verkehrsrecht berechneten Gebühren statt.
Zweckmäßig und erforderlich
Die Übernahme der Kosten eines von einem Geschädigten beauftragten Anwalts setzt nach Meinung des Gerichts grundsätzlich voraus, dass dessen Beauftragung zweckmäßig und erforderlich war. Von einem derartigen Erfordernis ist in einfach gelagerten Fällen nur dann auszugehen, wenn ein Geschädigter geschäftlich ungewandt ist oder wenn die Schadenregulierung verzögert wird.
Nichts davon traf auf den entschiedenen Fall zu. Das Gericht hielt es trotz allem für gerechtfertigt, dass der Kläger einen Kollegen mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hat. „Denn die Art seiner bei dem Unfall erlittenen Verletzung macht den Sachverhalt nicht mehr zu einem einfach gelagerten Fall“.
Insbesondere in Hinblick auf die Schmerzensgeld-Forderung sowie einem von dem Kläger geltend gemachten Haushaltsführungs-Schaden existiert nämlich eine komplexe und nicht einheitliche Rechtsprechung, die in vielen Fällen zu Einwänden durch den in Anspruch genommenen Versicherer führt. In derartigen Fällen kann es einem Geschädigten daher nicht zugemutet werden, auf den Beistand eines Rechtsanwalts zu verzichten, erklärte das Gericht.
Unzumutbares Verlangen
Im Übrigen spielt die Tatsache, dass der Kläger selber als Anwalt tätig ist, nach Ansicht des Gerichts für die Frage der Erstattung der Kosten seines Kollegen keine Rolle.
„Denn einem Geschädigten ist es in der Regel nicht zuzumuten, seine besonderen beruflichen Fähigkeiten in den Dienst des Schädigers zu stellen.“ Das Gericht sah keine Veranlassung, eine Berufung zum Landgericht zuzulassen.
Das Amtsgericht Münster hatte im Februar 2011 entschieden, dass einem geschädigten Anwalt selbst dann die Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren zusteht, wenn er sich selber vertreten hat (VersicherungsJournal 16.1.2012).
(Quelle Versicherungs Journal 21.12.2012)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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