25.03.2013
Wenn ein Auto im Schlagloch versinkt

Ein Straßenbaulastträger verletzt die ihm obliegende Verkehrssicherungs-Pflicht, wenn er in den Wintermonaten nur einmal täglich auf von Betonfraß betroffenen Autobahnabschnitten Routinekontrollen durchführen lässt und dabei auf Vorstufen von Schlaglöchern nicht reagiert. Das hat das Landgericht Halle an der Saale mit Urteil vom 28. Juni 2012 entschieden (Az.: 4 O 774/11).
Der Kläger befuhr mit seinem Pkw im Januar 2011 bei winterlichen Temperaturen und dichtem Verkehr die Bundesautobahn 9, als er bei Dunkelheit mit den linken Rädern seines Fahrzeugs in ein 40 mal 60 Zentimeter großes und über zehn Zentimeter tiefes Schlagloch geriet. Bei dem Zwischenfall wurden zwei Felgen sowie zwei Reifen des Autos zerstört.
Eigenes Verschulden?
Mit dem Argument, dass der für die Autobahn zuständigen Straßenbaulastträger seine Verkehrssicherungs-Pflicht verletzt habe, verlangte der Kläger von diesem den Ersatz der Reparatur- und Abschleppkosten sowie der Kosten für einen Mietwagen.
Der Beklagte war sich jedoch keiner Schuld bewusst. In dem sich anschließenden Rechtsstreit trug er vor, dass der Autobahnabschnitt nachweislich einmal täglich kontrolliert worden sei. Im Übrigen sei dort die Geschwindigkeit auf 120 km/h begrenzt, wobei durch ein Zusatzschild auf Unebenheiten in der Fahrbahn hingewiesen werde. Zu mehr sei er nicht verpflichtet.
Der Kläger sei offenkundig zu schnell gefahren und habe gegen das Sichtfahrgebot verstoßen. Er habe sich den Schaden daher selbst zuzuschreiben.
Doch dem wollten sich die Richter des Landgerichts nicht anschließen. Sie gaben der Klage des Autofahrers in vollem Umfang statt.
Unzureichende Maßnahmen
Nach Ansicht des Gerichts hat der Führer eines Fahrzeugs Straßen grundsätzlich so hinzunehmen, wie sie sich ihm darbieten. Dabei hat er sich auf erkennbaren Gefahren wie zum Beispiel Schlaglöcher durch seine Fahrweise so einzustellen, dass er angemessen auf sie reagieren kann.
Ein Verkehrsteilnehmer darf aber erwarten, dass Straßen in einem Zustand erhalten werden, der dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis entspricht.
Auf einer viel befahrenen Autobahn wie der A 9 reicht es daher insbesondere in Wintermonaten nicht aus, sie nur einmal täglich zu kontrollieren und dabei zu allem Überfluss nicht in gebotener Weise auf Schäden der Fahrbahn zu reagieren.
Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ließen die kontrollierenden Mitarbeiter der Beklagten Schlaglochvorstufen wie Risse und sonstige Beschädigungen bis zur doppelten Größe einer Faust unbeachtet.
Gesteigertes Maß
Sie schritten erst ein, wenn sich endgültig ein großes Schlagloch gebildet hatte. Dadurch nahmen sie nach Ansicht des Gerichts bewusst eine Gefährdung des Verkehrs in Kauf. Denn nach Aussage eines von den Richtern befragten Sachverständigen kann sich aus der Vorstufe eines Schlaglochs auf einer viel befahrenen Straße innerhalb kürzester Zeit eine große, den Verkehr gefährdende Vertiefung bilden.
Die Beklagte kann sich auch nicht auf die von ihr eingerichtete Geschwindigkeits-Begrenzung berufen. Denn unabhängig davon, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Zwischenfalls nachweislich nicht schneller als 80 km/h fuhr, war die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h angesichts des maroden Zustands der Fahrbahn nach Ansicht der Richter deutlich zu hoch.
Zusammenfassend heißt es in dem Urteil: „Auf einer Autobahn mit ihrer hohen Verkehrsbedeutung sowie den dort zweckbedingt hohen gefahrenen Geschwindigkeiten trifft den Straßenbaulastträger ein gesteigertes Maß, Gefahren für Dritte durch die Straßennutzung zu vermeiden oder zumindest vor diesen Gefahren deutlich zu warnen.“
Gilt auch auf innerörtlichen Straßen
Dass marode Straßen auch innerhalb geschlossener Ortschaften nicht hingenommen werden müssen, belegt ein Urteil des Lübecker Landgerichts aus dem Jahr 2007.
Die Vertreter der vor den Kadi gezerrten Hansestadt hatten sich seinerzeit darauf berufen, dass Lübeck kein Geld für eine grundlegende Sanierung der Straßen habe. Ohne Erfolg. Als ein Schlagloch einem Autofahrer zum Verhängnis wurde, wurde die Stadt zur Kasse gebeten (VersicherungsJournal 22.8.2008).
(Quelle VersicherungsJournal 03.12.2012)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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