26.11.2012
Anwaltsfehler mit Folgen

Wird eine Berufungsfrist versäumt, weil der Anwalt des Klägers die Berufung versehentlich bei einem falschen Gericht eingelegt hat, so hat der Kläger nicht in jedem Fall einen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, um beim richtigen Gericht in Berufung gehen zu können. Das geht aus einem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 19. Juli 2012 hervor (Az.: V ZR 255/11).
Dem Beschluss lag eine Beschwerde einer Wohnungseigentümer-Gemeinschaft zugrunde, die einen vor einem Amtsgericht ausgefochtenen Rechtsstreit verloren hatte. Sie beauftragte ihren Anwalt damit, gegen das Urteil Berufung einzulegen.
Falsches Gericht
Dieser Aufforderung kam der Rechtsanwalt am letzten Tag der Berufungsfrist nach. Er legte die Berufung jedoch nicht bei dem für die Sache zuständigen Landgericht Dresden, sondern beim Leipziger Landgericht ein.
Als seine Kanzlei von dem Leipziger Gericht noch am gleichen Tag telefonisch auf den Irrtum hingewiesen wurde, nahm der Anwalt die Berufung zurück und wandte sich an das richtige Gericht. Dort ging sie jedoch nicht mehr fristgerecht ein, sodass der Advokat für seine Mandanten eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragte.
Zur Begründung trug er vor, dass er bei der Unterzeichnung der Berufungsschrift durchaus bemerkt habe, dass sie an ein falsches Gericht adressiert worden sei. Er habe seine ihm als äußerst zuverlässig bekannte Mitarbeiterin daher angewiesen, den Schriftsatz erneut auszudrucken und den Adressaten zu ändern.
Das sei auch geschehen. Doch anschließend habe die Mitarbeiterin versehentlich den falschen Schriftsatz an das nicht zuständige Gericht gefaxt. Als ihm der Schriftsatz danach zur Fertigung beglaubigter Abschriften vorgelegt wurde, habe er den Fehler nicht bemerkt, zumal ihm seine Mitarbeiterin bestätigt habe, dass es sich um die richtige Berufungsschrift handele.
Ja, aber …
Doch das konnte die Richter des Bundesgerichtshofs ebenso wenig überzeugen wie ihre Kollegen der Vorinstanz. Sie wiesen die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung wegen Fristversäumnis als unbegründet zurück.
Nach Ansicht der Richter darf ein Rechtsanwalt zwar grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung korrekt befolgt. Er ist daher in der Regel nicht dazu verpflichtet, zu überprüfen, ob seine Weisung fehlerfrei ausgeführt wurde mit der Folge, dass bei einem Fehler der Angestellten gegebenenfalls ein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand besteht.
Das war in dem entschiedenen Fall jedoch anders. Denn dort war es durch die falsche Adressierung bereits zu einem Fehler gekommen. Der Anwalt durfte sich daher nicht auf die Aussage seiner Mitarbeiterin verlassen, dass ihm die richtige Berufungsschrift zur Fertigung beglaubigter Abschriften vorgelegt wurde. Aufgrund der Vorgeschichte wäre er vielmehr dazu verpflichtet gewesen, ein Blick auf das Adressfeld zu werfen.
Anspruch auf Schadenersatz?
Denn dann wäre ihm mit ziemlicher Sicherheit der Fehler aufgefallen mit der Folge, dass es sich ihm aufgedrängt hätte der Frage nachzugehen, ob seine Angestellte tatsächlich die zuvor erteilte Weisung befolgt und den richtigen Schriftsatz an das zuständige Gericht gefaxt hatte. Da das nicht der Fall war, ist das Urteil des Amtsgerichts rechtskräftig.
Der Bundesgerichtshof hatte nur über die Frage der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu urteilen. Darüber, ob den Klägern gegebenenfalls ein Anspruch auf Schadenersatz gegenüber ihrem Anwalt zusteht, muss gegebenenfalls in einem weiteren Verfahren entschieden werden.
(Quelle VersicherungsJournal 21.09.2012)

Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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