22.11.2012
Wer sich aufs Eis begibt

Gemeinden sind im Winter innerhalb geschlossener Ortschaften nur dazu verpflichtet, verkehrswichtige Straßen zu streuen. Der Umfang der Räum- und Streupflicht hat sich dabei an den Bedürfnissen des fließenden Verkehrs und nicht an dem von Fußgängern zu orientieren, so das Oberlandesgericht München in einem Beschluss vom 14. September 2012 (Az.: 1 U 2676/12).
Die Klägerin war im Dezember 2010 als Fußgängerin beim Überqueren einer durch Schnee und Eis glatten innerörtlichen Straße gestürzt. Dabei hatte sie sich erhebliche Verletzungen zugezogen.
Verletzung der Verkehrssicherungs-Pflicht?
Mit dem Argument, dass es zu dem Unfall nur gekommen sei, weil es die Gemeinde versäumt habe, die Straße zu streuen, verklagte sie diese auf Zahlung eines Schmerzensgelds.
Die Klägerin räumte zwar ein, dass sich der Unfall auf einer kleinen Anliegerstraße ereignet hatte. Eine Streupflicht habe jedoch auch auf dieser Straße bestanden. Denn schließlich habe auf einer vergleichbaren Straße ein Winterdienst stattgefunden.
Dieser Argumentation wollten sich die Richter des Münchener Oberlandesgerichts nicht anschließen. Sie wiesen die Klage als unbegründet zurück.
Keine Chance für Fußgänger
Nach Überzeugung des Gerichts sind Gemeinden innerhalb geschlossener Ortschaften nur dazu verpflichtet, Fahrbahnen an verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen zu streuen beziehungsweise von Schnee und Eis zu befreien. Der Umfang der Räum- und Streupflicht richtet sich dabei nach den Bedürfnissen des fließenden Verkehrs und nicht nach denen von Fußgängern.
Das gilt auch für Fußgängerüberwege mit der Folge, dass bei einer kleinen untergeordneten Anliegerstraße, bei der von vorneherein auszuschließen ist, dass ein reger Fußgängerverkehr über die Straße stattfindet, grundsätzlich keine Streu- und Räumpflicht der Gemeinde besteht, erklärte das Gericht.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass eine vergleichbare Straße des Ortes gestreut wurde. Denn der Umfang der Räum- und Streupflicht ergibt sich nicht aus dem von der Gemeinde aufgestellten Räumplan, sondern ausschließlich aus den allgemeinen Grundsätzen zur Streupflicht.
Zahlreiche Entscheidungen
Es steht einer Gemeinde daher frei, ob sie einzelne, nicht verkehrswichtige Straßen in den Räumplan aufnimmt oder nicht, ohne damit für Unfälle zur Verantwortung gezogen werden zu können, die sich auf einer nicht gestreuten, unbedeutenden Straße ereignen.
Über die Frage der Streupflicht von Gemeinden, Firmen und Privatpersonen kommt es regelmäßig zum Streit. Zahlreiche weitere Urteile sind nach Eingabe des Stichworts „Streupflicht“ im Archiv des VersicherungsJournals zu finden.
(Quelle VersicherungsJournal 22.11.2012)

Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
juergenzwilling@auc-zwilling.de ursulazwilling@auc-zwilling.de