29.10.2012
Swinger-Club-Besuch mit Folgen für die Berufsgenossenschaft

Erleidet ein Versicherter Jahre nach einem Berufsunfall, bei welchem er ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten hat, einen epileptischen Anfall, so ist in der Regel davon auszugehen, dass es sich um eine Spätfolge des Unfalls handelt. Das hat zur Folge, dass dem Betroffenen ein Anspruch auf Zahlung einer höheren Verletztenrente durch seine Berufsgenossenschaft zusteht, so das Sozialgericht Stuttgart in einem am Montag veröffentlichten Urteil vom 22. März 2012 (Az.: 13 U 6176/09).
Der Entscheidung lag die Klage eines Maurers zugrunde, der bei einem Sturz auf einer Baustelle unter anderem ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten hatte.
Epileptischer Anfall
Nach einem künstlichen Koma und langer Rekonvaleszenz konnte er anschließend nur noch stundenweise als Bauhelfer arbeiten. Er bezog daher auf unbestimmte Zeit eine Teilrente durch seine Berufsgenossenschaft.
Knapp acht Jahre nach dem Arbeitsunfall erlitt der Kläger in einem Swinger-Club gegen vier Uhr morgens einen Zusammenbruch, bei welchem er sich eine inzwischen ausgeheilte Verletzung seines Rückens zuzog.
Als Grund für den Zusammenbruch wurde ein epileptischer Anfall diagnostiziert, mit der Folge, dass der Kläger regelmäßig Medikamente einnehmen musste.
Unklare Umstände?
Nachdem ein medizinischer Sachverständiger zu dem Ergebnis gekommen war, dass der Anfall eine offenkundige Spätfolge des Schädel-Hirn-Traumas war, verlangte der Kläger von der Berufsgenossenschaft die Zahlung einer höheren Rente.
Diese weigerte sich jedoch, der Forderung nachzukommen. Das begründete sie vor allem mit den nach ihrer Ansicht unklaren Umständen, unter denen der Kläger den Anfall erlitten hatte. Denn dieser könne ebenso gut auf eine Übermüdung zurückzuführen sein.
Da der Kläger in der Folgezeit keine weiteren Anfälle erlitten habe, sei außerdem von einem einmaligen Ereignis auszugehen, das keine zusätzlichen Rentenzahlungen rechtfertige, zumal noch nicht einmal feststehe, dass es sich um einen echten epileptischen Anfall gehandelt habe.
Bis zu 15 Jahre später
Doch dem wollten die Richter des Stuttgarter Sozialgerichts nicht folgen. Sie gaben der Klage auf Bewilligung einer Erhöhung der Unfallrente statt.
Nach Überzeugung des Gerichts erleidet ein gesunder Mensch beim Besuch eines Swinger-Clubs auch zu nachtschlafender Stunde keinen epileptischen Anfall, wenn keine Vorschädigung vorhanden ist. Denn ein derartiger Anfall bedarf einer hirnorganischen Veränderung, um ausgelöst werden zu können.
Eine Ursache können zum Beispiel Schädelverletzungen sein. Denn selbst leichtere Verletzungen können nach gesicherten medizinischen Erkenntnissen binnen 15 Jahren einen epileptischen Anfall auslösen.
Keine Frage der sozialen Rahmenbedingungen
Da der Kläger bei seinem Arbeitsunfall nicht nur eine leichte, sondern eine äußerst schwere Schädelverletzung erlitten hatte, spricht nach Meinung der Richter alles dafür, dass diese Auslöser für den Anfall war. Um das unter Beweis zu stellen, habe es anders als von der Berufsgenossenschaft vorgetragen auch keines weiteren Anfalls bedurft.
Dass sich der Anfall in einem Swinger-Club ereignet hatte, spielt für dessen Bewertung keine Rolle. Denn maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob er Folge des Berufsunfalls war sind die medizinischen und nicht die sozialen Rahmenbedingungen, unter denen der Kläger den Anfall erlitten hat, so das Gericht.
(Quelle VersicherungsJournal 17.08.2012)

Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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