22.10.2012
Zur Leistungsfreiheit in der Kaskoversicherung

Vergisst es ein Versicherungsnehmer in einer Schadenanzeige, einen Vorschaden anzugeben, den sein eigener Versicherer reguliert hat, so kann dieser sich nicht auf Leistungsfreiheit berufen. Das geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 11. Januar 2012 hervor (Az.: I-20 U 64/11).
Dem Urteil lag die Klage eines Versicherten gegen seinen Teilkaskoversicherer zugrunde.
Keine Arglist
Nachdem sein Pkw gestohlen worden war, berief sich der Versicherer unter anderem deswegen auf Leistungsfreiheit, weil es der Kläger versäumt hatte, in der Schadenanzeige einen einige Zeit vorher regulierten Glasbruchschaden anzugeben.
Zu Unrecht, urteilten die Richter des Oberlandesgerichts Hamm. Sie gaben der Klage des Versicherten in vollem Umfang statt.
Nach Überzeugung des Gerichts hat der Kläger bei der Nichtangabe des Glasbruchschadens allenfalls grob fahrlässig, nicht aber arglistig im Sinne von § 28 Absatz 3 Satz 2 VVG gehandelt, sodass sich sein Versicherer nicht auf Leistungsfreiheit berufen kann.
Vom Zweck der Aufklärungsobliegenheit
Eine Leistungsfreiheit scheidet in dem entschiedenen Fall auch allein schon deswegen aus, weil der Versicherer den Glasbruchschaden selbst reguliert hat und daher den in der Schadenanzeige erfragten Umstand bereits kannte. Der Zweck der Aufklärungsobliegenheit dient nach Ansicht der Richter nämlich dazu, den Versicherer in die Lage zu versetzen, sachgemäße Entschlüsse zu fassen.
„Fehlt das entsprechende Aufklärungsbedürfnis, weil der Versicherer den maßgeblichen Umstand bereits kennt, so verletzen unzulängliche Angaben des Versicherungsnehmers keine schutzwürdigen Interessen des Versicherers und können deshalb die Sanktion der Leistungsfreiheit nicht rechtfertigen“, heißt es wörtlich in der Urteilsbegründung.
Sache der innerbetrieblichen Organisation
Nach Ansicht des Gerichts ist es im Fall eines verschwiegenen Vorschadens im Übrigen Sache der innerbetrieblichen Organisation eines Versicherers, das Wissen des den Vorschaden bearbeitenden Sachbearbeiters auch anderen Mitarbeitern der Schadenabteilung zugänglich zu machen.
Die Richter gingen aufgrund ihrer Erfahrungen in einer Vielzahl anderer Verfahren außerdem davon aus, dass der Großteil der Versicherungsnehmer die Frage nach Vorschäden so versteht, dass sie durch einen Unfall entstanden sind.
In vorliegendem Fall ging es jedoch um einen durch Steinschlag entstandenen Glasbruchschaden, den der Kläger versäumt hatte, in der Schadenanzeige anzugeben. Ihm kann daher auch aus diesem Grund kein arglistiges Handeln vorgeworfen werden, so das Gericht.
Die Richter sahen keine Veranlassung, eine Revision zum Bundesgerichtshof zuzulassen.
(Quelle VersicherungsJournal 07.08.2012)

Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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