24.09.2012
Wenn ein Gehweg zur gefährlichen Stolperfalle wird

Kommt ein Fußgänger auf einem sich durchgängig in desolatem Zustand befindlichen Fußgängerüberweg zu Schaden, so kann sich die für den Überweg zuständige Gemeinde weder damit entlasten, dass sie kein Geld für die Instandsetzung des Überwegs hat, noch damit, dass der Fußgänger den Weg hätte meiden müssen. Das geht aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. Juli 2012 hervor (Az.: III ZR 240/11).
Die seinerzeit 70-jährige Klägerin war im September 2009 auf einem von ihr seit Jahren benutzten Fußgängerüberweg gestürzt. Dabei hatte sie sich unter anderem schwere Gesichtsverletzungen zugezogen.
Keine ebenen Flächen
Der Überweg befand sich schon seit längerem in einem desolaten Zustand. Die Betonplatten waren stark verwittert und wiesen keine ebenen Flächen mehr auf. Obwohl die Klägerin festes Schuhwerk trug, wurde ihr eines der vielen in dem Überweg befindlichen Löcher zum Verhängnis.
Der Gemeinde war der miserable Zustand des Überweges schon lange bekannt. Nach eigenen Angaben fehlten ihr jedoch die Haushaltsmittel, um den Weg instand setzen zu lassen.
Mit diesem und dem Argument, dass ein Verkehrsteilnehmer eine Verkehrsfläche so hinzunehmen habe, wie sie sich ihm erkennbar darbiete, lehnte sie es ab, der Schadenersatz- und Schmerzensgeld-Forderung der Klägerin nachzukommen. Um einen Sturz zu vermeiden, hätte sie gegebenenfalls auf die neben dem Übergang befindliche Grünfläche ausweichen müssen.
Ständige Stolper- und Sturzgefahr
Doch dem wollten weder die Richter der Vorinstanzen noch ihre Kollegen vom Bundesgerichtshof folgen. Die beklagte Gemeinde erlitt vor sämtlichen Gerichten eine Niederlage mit der einzigen Einschränkung, dass sich Klägerin ein Mitverschulden in Höhe von zehn Prozent anrechnen lassen muss.
Der sich unstreitig insgesamt in einem desolaten Zustand befindliche Überweg hat nach Überzeugung der Richter eine ständige Stolper- und Sturzgefahr dargestellt, die zwar von einem aufmerksamen Fußgänger erkennbar, jedoch nicht mehr sicher zu beherrschen war. Denn ein Ausweichen auf schadlose Bereiche war praktisch nicht möglich. Diese waren schlichtweg nicht vorhanden.
Kein Ausweichen möglich
Nach Meinung der Richter ist es zwar zutreffend, dass ein Verkehrssicherungs-Pflichtiger nur zur Beseitigung von Gefahren verpflichtet ist, die von einem sorgfältigen Nutzer eines Weges nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind. Das aber setzt voraus, dass man der Gefahr unproblematisch ausweichen kann, was in dem zu entscheidenden Fall unmöglich war, ohne einen größeren Umweg in Kauf nehmen zu müssen.
Die Gemeinde kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin auf die neben dem Überweg befindliche Grünfläche hätte ausweichen können. „Denn der Verkehrssicherungs-Pflichtige kann Verkehrsteilnehmern grundsätzlich nicht entgegenhalten, sie hätten gefährliche Stellen meiden müssen. Damit würde er nämlich die ihn treffende Verantwortung unzulässig auf den Verkehrsteilnehmer abwälzen“, heißt es in der Urteilsbegründung.
Die umfangreiche Urteilsbegründung kann im Volltext auf den Internetseiten des Gerichts nachgelesen werden.
(Quelle VersicherungsJournal 02.08.2012)

Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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